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Elberfelder 1905

Das Buch Hiob

Kapitel 1

1 Es war Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob; und selbiger Mann war vollkommen und rechtschaffen und gottesfürchtig und das Böse meidend.
2 Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren.
3 Und sein Besitztum bestand in siebentausend Schafen und dreitausend Kamelen und fünfhundert Joch Rindern und fünfhundert Eselinnen, und in sehr vielem Gesinde. Und selbiger Mann war größer als alle Söhne des Ostens.
4 Und seine Söhne gingen hin und machten in dem Hause eines jeden ein Gastmahl an seinem Tage; und sie sandten hin und luden ihre drei Schwestern ein, um mit ihnen zu essen und zu trinken.
5 Und es geschah, wenn die Tage des Gastmahls herum waren, so sandte Hiob hin und heiligte sie; und er stand des Morgens früh auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl; denn Hiob sprach: Vielleicht haben meine Kinder gesündigt und sich in ihrem Herzen von Gott losgesagt. Also tat Hiob allezeit.
6 Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um sich vor Jahwe zu stellen; und auch der Satan kam in ihrer Mitte.
7 Und Jahwe sprach zum Satan: Wo kommst du her? Und der Satan antwortete Jahwe und sprach: Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandeln auf ihr.
8 Und Jahwe sprach zum Satan: Hast du achtgehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn seinesgleichen ist kein Mann auf Erden, vollkommen und rechtschaffen, gottesfürchtig und das Böse meidend.
9 Und der Satan antwortete Jahwe und sprach: Ist es umsonst, daß Hiob Gott fürchtet?
10 Hast du nicht selbst ihn und sein Haus und alles, was er hat, ringsum eingezäunt? Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Besitztum hat sich ausgebreitet im Lande.
11 Aber strecke einmal deine Hand aus und taste alles an, was er hat, ob er sich nicht offen von dir lossagen wird.
12 Da sprach Jahwe zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand; nur nach ihm strecke deine Hand nicht aus. Und der Satan ging von dem Angesicht Jahwes hinweg.
13 Und es geschah eines Tages, als seine Söhne und seine Töchter im Hause ihres erstgeborenen Bruders aßen und Wein tranken,
14 da kam ein Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder pflügten, und die Eselinnen weideten neben ihnen,
15 da fielen Sabäer ein und nahmen sie weg, und die Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwertes; und ich bin entronnen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
16 Dieser redete noch, da kam ein anderer und sprach: Feuer Gottes ist vom Himmel gefallen und hat das Kleinvieh und die Knechte verbrannt und sie verzehrt; und ich bin entronnen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
17 Dieser redete noch, da kam ein anderer und sprach: Die Chaldäer haben drei Haufen gebildet und sind über die Kamele hergefallen und haben sie weggenommen, und die Knechte haben sie mit der Schärfe des Schwertes erschlagen; und ich bin entronnen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
18 Während dieser noch redete, da kam ein anderer und sprach: Deine Söhne und deine Töchter aßen und tranken Wein im Hause ihres erstgeborenen Bruders;
19 und siehe, ein starker Wind kam von jenseit der Wüste her und stieß an die vier Ecken des Hauses, und es fiel auf die jungen Leute, und sie starben; und ich bin entronnen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
20 Da stand Hiob auf und zerriß sein Gewand und schor sein Haupt; und er fiel zur Erde nieder und betete an.
21 Und er sprach: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leibe gekommen, und nackt werde ich dahin zurückkehren; Jahwe hat gegeben, und Jahwe hat genommen, der Name Jahwes sei gepriesen!
22 Bei diesem allem sündigte Hiob nicht und schrieb Gott nichts Ungereimtes zu.

Kapitel 2

1 Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um sich vor Jahwe zu stellen; und auch der Satan kam in ihrer Mitte, um sich vor Jahwe zu stellen.
2 Und Jahwe sprach zum Satan: Von woher kommst du? Und der Satan antwortete Jahwe und sprach: Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandeln auf ihr.
3 Und Jahwe sprach zum Satan: Hast du achtgehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn seinesgleichen ist kein Mann auf Erden, vollkommen und rechtschaffen, gottesfürchtig und das Böse meidend; und noch hält er fest an seiner Vollkommenheit, wiewohl du mich wider ihn gereizt hast, ihn ohne Ursache zu verschlingen.
4 Und der Satan antwortete Jahwe und sprach: Haut um Haut, ja, alles, was der Mensch hat, gibt er um sein Leben.
5 Aber strecke einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an, ob er sich nicht offen von dir lossagen wird.
6 Und Jahwe sprach zum Satan: Siehe, er ist in deiner Hand; nur schone seines Lebens.
7 Und der Satan ging von dem Angesicht Jahwes hinweg, und er schlug Hiob mit bösen Geschwüren, von seiner Fußsohle bis zu seinem Scheitel.
8 Und er nahm einen Scherben, um sich damit zu schaben; und er saß mitten in der Asche.
9 Da sprach sein Weib zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit? Sage dich los von Gott und stirb!
10 Und er sprach zu ihr: Du redest, wie eine der Törinnen redet. Wir sollten das Gute von Gott annehmen, und das Böse sollten wir nicht auch annehmen? Bei diesem allem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.
11 Und die drei Freunde Hiobs hörten all dieses Unglück, das über ihn gekommen war; und sie kamen, ein jeder aus seinem Orte: Eliphas, der Temaniter, und Bildad, der Schuchiter, und Zophar, der Naamathiter; und sie verabredeten sich miteinander zu kommen, um ihm ihr Beileid zu bezeugen und ihn zu trösten.
12 Und sie erhoben ihre Augen von ferne und erkannten ihn nicht; da erhoben sie ihre Stimme und weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Gewand und streuten Staub auf ihre Häupter himmelwärts.
13 Und sie saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang; und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daß der Schmerz sehr groß war.

Kapitel 3

1 Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
2 Und Hiob hob an und sprach:
3 Es verschwinde der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, welche sprach: Ein Knäblein ist empfangen!
4 Jener Tag sei Finsternis! Nicht frage Gott nach ihm droben, und nicht erglänze über ihm das Licht!
5 Finsternis und Todesschatten mögen ihn einlösen, Gewölk lagere sich über ihm, es schrecken ihn Tagesverfinsterungen!
6 Jene Nacht, Dunkel ergreife sie; sie freue sich nicht unter den Tagen des Jahres, in die Zahl der Monde komme sie nicht!
7 Siehe, jene Nacht sei unfruchtbar, es trete kein Jubel in sie ein!
8 Verwünschen mögen sie die Verflucher des Tages, die fähig sind, den Leviathan aufzureizen!
9 Verfinstert seien die Sterne ihrer Dämmerung; sie harre auf Licht, und da sei keines; und nicht schaue sie die Wimpern der Morgenröte!
10 Denn sie hat die Pforte meines Mutterschoßes nicht verschlossen und Mühsal nicht verborgen vor meinen Augen.
11 Warum starb ich nicht von Mutterleibe an, kam aus dem Schoße hervor und verschied?
12 Weshalb kamen Knie mir entgegen, und wozu Brüste, daß ich sog?
13 Denn jetzt würde ich liegen und rasten, ich würde schlafen: dann hätte ich Ruhe,
14 mit Königen und Räten der Erde, welche sich verödete Plätze erbauten,
15 oder mit Fürsten, die Gold hatten, die ihre Häuser mit Silber füllten;
16 oder, gleich einer verborgenen Fehlgeburt, wäre ich nicht da, gleich Kindern, die das Licht nicht erblickt haben.
17 Dort lassen die Bösen ab vom Toben, und dort ruhen die an Kraft Erschöpften,
18 rasten die Gefangenen allesamt, hören nicht die Stimme des Treibers.
19 Der Kleine und der Große, dort sind sie gleich, und der Knecht ist frei von seinem Herrn.
20 Warum gibt er dem Mühseligen Licht, und Leben denen, die bitterer Seele sind;
21 die auf den Tod harren, und er ist nicht da, und die nach ihm graben, mehr als nach verborgenen Schätzen;
22 die sich freuen bis zum Jubel, Wonne haben, wenn sie das Grab finden;
23 dem Manne, dessen Weg ihm verborgen ist, und den Gott eingeschlossen hat ringsum?
24 Denn gleich meinem Brote kommt mein Seufzen, und wie Wasser ergießt sich mein Gestöhn.
25 Denn ich fürchtete einen Schrecken, und er traf mich, und vor dem mir bangte, das kam über mich.
26 Ich war nicht ruhig, und ich rastete nicht und ruhte nicht, da kam das Toben.

Kapitel 4

1 Und Eliphas, der Temaniter, antwortete und sprach:
2 Wenn man ein Wort an dich versucht, wird es dich verdrießen? Doch die Worte zurückzuhalten, wer vermöchte es?
3 Siehe, du hast viele unterwiesen, und erschlaffte Hände stärktest du;
4 den Strauchelnden richteten deine Worte auf, und sinkende Knie hast du befestigt.
5 Doch nun kommt es an dich, und es verdrießt dich; es erreicht dich, und du bist bestürzt.
6 Ist nicht deine Gottesfurcht deine Zuversicht, die Vollkommenheit deiner Wege deine Hoffnung?
7 Gedenke doch: Wer ist als Unschuldiger umgekommen, und wo sind Rechtschaffene vertilgt worden?
8 So wie ich es gesehen habe: die Unheil pflügen und Mühsal säen, ernten es.
9 Durch den Odem Gottes kommen sie um, und durch den Hauch seiner Nase vergehen sie.
10 Das Brüllen des Löwen und des Brüllers Stimme sind verstummt, und die Zähne der jungen Löwen sind ausgebrochen;
11 der Löwe kommt um aus Mangel an Raub, und die Jungen der Löwin werden zerstreut.
12 Und zu mir gelangte verstohlen ein Wort, und mein Ohr vernahm ein Geflüster davon.
13 In Gedanken, welche Nachtgesichte hervorrufen, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt,
14 kam Schauer über mich und Beben, und durchschauerte alle meine Gebeine;
15 und ein Geist zog vor meinem Angesicht vorüber, das Haar meines Leibes starrte empor.
16 Es stand da, und ich erkannte sein Aussehen nicht; ein Bild war vor meinen Augen, ein Säuseln und eine Stimme hörte ich:
17 Sollte ein Mensch gerechter sein als Gott, oder ein Mann reiner als der ihn gemacht hat?
18 Siehe, auf seine Knechte vertraut er nicht, und seinen Engeln legt er Irrtum zur Last:
19 wieviel mehr denen, die in Lehmhäusern wohnen, deren Grund im Staube ist! Wie Motten werden sie zertreten.
20 Von Morgen bis Abend werden sie zerschmettert; ohne daß man's beachtet, kommen sie um auf ewig.
21 Ist es nicht so? Wird ihr Zeltstrick an ihnen weggerissen, so sterben sie, und nicht in Weisheit.

Kapitel 5

1 Rufe doch, ob einer da ist, der dir antwortet! Und an welchen der Heiligen willst du dich wenden?
2 Denn den Narren erwürgt der Gram, und den Einfältigen tötet der Eifer.
3 Ich, ich sah den Narren Wurzel schlagen, und alsbald verwünschte ich seine Wohnung.
4 Fern blieben seine Kinder vom Glück; und sie wurden im Tore zertreten, und kein Erretter war da.
5 Seine Ernte verzehrte der Hungrige, und bis aus den Dornhecken nahm er sie weg; und nach ihrem Vermögen schnappte die Schlinge.
6 Denn nicht aus dem Staube geht Unheil hervor, und nicht sproßt Mühsal aus dem Erdboden;
7 sondern der Mensch ist zur Mühsal geboren, wie die Funken sich erheben im Fluge.
8 Ich jedoch würde Gott suchen und Gott meine Sache darlegen,
9 der Großes und Unerforschliches tut, Wunder bis zur Unzahl;
10 der Regen gibt auf die Fläche der Erde, und Wasser sendet auf die Fläche der Flur;
11 um Niedrige in die Höhe zu setzen, und Trauernde steigen empor zum Glück.
12 Der zunichte macht die Anschläge der Listigen, und ihre Hände führen den Plan nicht aus;
13 der die Weisen erhascht in ihrer List, und der Verschmitzten Rat überstürzt sich.
14 Bei Tage stoßen sie auf Finsternis, und am Mittag tappen sie wie bei der Nacht.
15 Und er rettet vom Schwerte, von ihrem Munde, und aus der Hand des Starken den Dürftigen.
16 So wird dem Armen Hoffnung, und die Ungerechtigkeit verschließt ihren Mund.
17 Siehe, glückselig der Mensch, den Gott straft! So verwirf denn nicht die Züchtigung des Allmächtigen.
18 Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt, und seine Hände heilen.
19 In sechs Drangsalen wird er dich erretten, und in sieben wird dich kein Übel antasten.
20 In Hungersnot erlöst er dich von dem Tode, und im Kriege von der Gewalt des Schwertes.
21 Vor der Zunge Geißel wirst du geborgen sein, und du wirst dich nicht fürchten vor der Verwüstung, wenn sie kommt.
22 Der Verwüstung und des Hungers wirst du lachen, und vor dem Getier der Erde wirst du dich nicht fürchten;
23 denn dein Bund wird mit den Steinen des Feldes sein, und das Getier des Feldes wird Frieden mit dir haben.
24 Und du wirst erfahren, daß dein Zelt in Frieden ist, und überschaust du deine Wohnung, so wirst du nichts vermissen;
25 und du wirst erfahren, daß deine Nachkommenschaft zahlreich sein wird, und deine Sprößlinge gleich dem Kraut der Erde.
26 Du wirst in Rüstigkeit in das Grab kommen, wie der Garbenhaufen eingebracht wird zu seiner Zeit.
27 Siehe, dieses, wir haben es erforscht, so ist es; höre es, und du, merke es dir!

Kapitel 6

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 O daß mein Gram doch gewogen würde, und man mein Mißgeschick auf die Waagschale legte allzumal!
3 Denn dann würde es schwerer sein als der Sand der Meere; darum sind unbesonnen meine Worte.
4 Denn die Pfeile des Allmächtigen sind in mir, ihr Gift trinkt mein Geist; die Schrecken Gottes stellen sich in Schlachtordnung wider mich auf.
5 Schreit ein Wildesel beim Grase, oder brüllt ein Rind bei seinem Futter?
6 Wird Fades, Salzloses gegessen? Oder ist Geschmack im Eiweiß?
7 Was meine Seele sich weigerte anzurühren, das ist wie meine ekle Speise.
8 O daß doch meine Bitte einträfe, und Gott mein Verlangen gewährte,
9 daß es Gott gefiele, mich zu zermalmen, daß er seine Hand losmachte und mich vernichtete!
10 So würde noch mein Trost sein, und ich würde frohlocken in schonungsloser Pein, daß ich die Worte des Heiligen nicht verleugnet habe.
11 Was ist meine Kraft, daß ich ausharren, und was mein Ende, daß ich mich gedulden sollte?
12 Ist Kraft der Steine meine Kraft, oder ist mein Fleisch von Erz?
13 Ist es nicht also, daß keine Hilfe in mir, und jede Kraft aus mir vertrieben ist?
14 Dem Verzagten gebührt Milde von seinem Freunde, sonst wird er die Furcht des Allmächtigen verlassen.
15 Meine Brüder haben sich trügerisch erwiesen wie ein Wildbach, wie das Bett der Wildbäche, welche hinschwinden,
16 welche trübe sind von Eis, in die der Schnee sich birgt.
17 Zur Zeit, wenn sie erwärmt werden, versiegen sie; wenn es heiß wird, sind sie von ihrer Stelle verschwunden.
18 Es schlängeln sich die Pfade ihres Laufes, ziehen hinauf in die Öde und verlieren sich.
19 Es blickten hin die Karawanen Temas, die Reisezüge Schebas hofften auf sie:
20 sie wurden beschämt, weil sie auf sie vertraut hatten, sie kamen hin und wurden zu Schanden.
21 Denn jetzt seid ihr zu nichts geworden; ihr sehet einen Schrecken und fürchtet euch.
22 Habe ich etwa gesagt: Gebet mir, und machet mir ein Geschenk von eurem Vermögen;
23 und befreiet mich aus der Hand des Bedrängers, und erlöset mich aus der Hand der Gewalttätigen?
24 Belehret mich, und ich will schweigen; und gebet mir zu erkennen, worin ich geirrt habe.
25 Wie eindringlich sind richtige Worte! Aber was tadelt der Tadel, der von euch kommt?
26 Gedenket ihr Reden zu tadeln? Für den Wind sind ja die Worte eines Verzweifelnden!
27 Sogar den Verwaisten würdet ihr verlosen, und über euren Freund einen Handel abschließen.
28 Und nun, laßt es euch gefallen, auf mich hinzublicken: euch ins Angesicht werde ich doch wahrlich nicht lügen.
29 Kehret doch um, es geschehe kein Unrecht; ja, kehret noch um, um meine Gerechtigkeit handelt es sich!
30 Ist Unrecht auf meiner Zunge? Oder sollte mein Gaumen Frevelhaftes nicht unterscheiden?

Kapitel 7

1 Hat der Mensch nicht einen harten Dienst auf Erden, und sind seine Tage nicht wie die Tage eines Tagelöhners?
2 Wie ein Knecht, der sich nach dem Schatten sehnt, und wie ein Tagelöhner, der seines Lohnes harrt,
3 so sind mir zuteil geworden Monde der Nichtigkeit, und Nächte der Mühsal mir zugezählt.
4 Wenn ich mich niederlege, so spreche ich: Wann werde ich aufstehen? Und der Abend dehnt sich hin, und ich werde des Umherwerfens satt bis zur Dämmerung.
5 Mein Fleisch ist bekleidet mit Gewürm und Erdkrusten, meine Haut zieht sich zusammen und eitert.
6 Meine Tage gleiten schneller dahin als ein Weberschiffchen, und schwinden ohne Hoffnung.
7 Gedenke, daß mein Leben ein Hauch ist! Nicht wird mein Auge das Glück wiedersehen.
8 Nicht mehr wird mich schauen das Auge des mich Sehenden; richtest du deine Augen auf mich, so bin ich nicht mehr.
9 Die Wolke schwindet und fährt dahin; so steigt, wer in den Scheol hinabfährt, nicht wieder herauf.
10 Nicht mehr kehrt er zurück zu seinem Hause, und seine Stätte erkennt ihn nicht mehr.
11 So will auch ich meinen Mund nicht zurückhalten, will reden in der Bedrängnis meines Geistes, will klagen in der Bitterkeit meiner Seele.
12 Bin ich ein Meer, oder ein Seeungeheuer, daß du eine Wache wider mich aufstellst?
13 Wenn ich sage: Trösten wird mich mein Bett, mein Lager wird tragen helfen meine Klage,
14 so erschreckst du mich mit Träumen, und durch Gesichte ängstigst du mich,
15 so daß meine Seele Erstickung vorzieht, den Tod lieber wählt als meine Gebeine.
16 Ich bin's überdrüssig, nicht ewiglich werde ich ja leben: Laß ab von mir! Denn ein Hauch sind meine Tage.
17 Was ist der Mensch, daß du ihn hochhältst, und daß du dein Herz auf ihn richtest,
18 und alle Morgen ihn heimsuchst, alle Augenblicke ihn prüfst?
19 Wie lange willst du nicht von mir wegblicken, nicht von mir ablassen, bis ich meinen Speichel verschlucke?
20 Habe ich gesündigt, was tat ich dir an, du Beobachter der Menschen? Warum hast du mich dir zum Angriffspunkt gesetzt, daß ich mir selbst zur Last geworden bin?
21 Und warum vergibst du nicht meine Übertretung und lässest nicht vorübergehen meine Missetat? Denn nun werde ich in den Staub mich legen, und suchst du nach mir, so bin ich nicht mehr.

Kapitel 8

1 Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sprach:
2 Wie lange willst du solches reden, und sollen die Worte deines Mundes ungestümer Wind sein?
3 Wird Gott das Recht beugen, oder wird der Allmächtige beugen die Gerechtigkeit?
4 Wenn deine Kinder gegen ihn gesündigt haben, so gab er sie ihrer Übertretung preis.
5 Wenn du Gott eifrig suchst und zu dem Allmächtigen um Gnade flehst,
6 wenn du lauter und rechtschaffen bist, ja, dann wird er zu deinen Gunsten aufwachen und Wohlfahrt geben der Wohnung deiner Gerechtigkeit;
7 und dein Anfang wird gering erscheinen, aber dein Ende sehr groß werden.
8 Denn befrage doch das vorige Geschlecht, und richte deinen Sinn auf das, was ihre Väter erforscht haben.
9 (Denn wir sind von gestern und wissen nichts, denn ein Schatten sind unsere Tage auf Erden.)
10 Werden jene dich nicht belehren, dir's sagen, und Worte aus ihrem Herzen hervorbringen?
11 Schießt Papierschilf auf, wo kein Sumpf ist? Wächst Riedgras empor ohne Wasser?
12 Noch ist es am Grünen, wird nicht ausgerauft, so verdorrt es vor allem Grase.
13 Also sind die Pfade aller, die Gottes vergessen; und des Ruchlosen Hoffnung geht zu Grunde.
14 Sein Vertrauen wird abgeschnitten, und seine Zuversicht ist ein Spinnengewebe.
15 Er stützt sich auf sein Haus, und es hält nicht stand; er hält sich daran fest, und es bleibt nicht aufrecht.
16 Saftvoll ist er vor der Sonne, und seine Schößlinge dehnen sich aus über seinen Garten hin;
17 über Steinhaufen schlingen sich seine Wurzeln, er schaut die Wohnung der Steine;
18 wenn er ihn wegreißt von seiner Stätte, so verleugnet sie ihn: »Ich habe dich nie gesehen!«
19 Siehe, das ist die Freude seines Weges; und aus dem Staube sprossen andere hervor.
20 Siehe, Gott wird den Vollkommenen nicht verwerfen, und nicht bei der Hand fassen die Übeltäter.
21 Während er deinen Mund mit Lachen füllen wird und deine Lippen mit Jubelschall,
22 werden deine Hasser bekleidet werden mit Scham, und das Zelt der Gesetzlosen wird nicht mehr sein.

Kapitel 9

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Wahrlich, ich weiß, daß es also ist; und wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?
3 Wenn er Lust hat, mit ihm zu rechten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten.
4 Er ist weise von Herzen und stark an Kraft: wer hat sich wider ihn verhärtet und ist unversehrt geblieben?
5 Der Berge versetzt, ehe sie es merken, er, der sie umkehrt in seinem Zorn;
6 der die Erde aufbeben macht von ihrer Stätte, und ihre Säulen erzittern;
7 der der Sonne befiehlt, und sie geht nicht auf, und der die Sterne versiegelt;
8 der die Himmel ausspannt, er allein, und einherschreitet auf den Höhen des Meeres;
9 der den großen Bären gemacht hat, den Orion und das Siebengestirn und die Kammern des Südens;
10 der Großes tut, daß es nicht zu erforschen, und Wundertaten, daß sie nicht zu zählen sind.
11 Siehe, er geht an mir vorüber, und ich sehe ihn nicht, und er zieht vorbei, und ich bemerke ihn nicht.
12 Siehe, er rafft dahin, und wer will ihm wehren? Wer zu ihm sagen: Was tust du?
13 Gott wendet seinen Zorn nicht ab, unter ihn beugen sich Rahabs Helfer.
14 Wieviel weniger könnte ich ihm antworten, meine Worte wählen ihm gegenüber!
15 Der ich, wenn ich gerecht wäre, nicht antworten könnte, um Gnade würde ich flehen zu meinem Richter.
16 Wenn ich riefe, und er mir antwortete, nicht würde ich glauben, daß er meiner Stimme Gehör schenken würde:
17 Er, der mich zermalmt durch ein Sturmwetter, und meine Wunden mehrt ohne Ursache;
18 er erlaubt mir nicht, Atem zu holen, denn er sättigt mich mit Bitterkeiten.
19 Wenn es auf Kraft des Starken ankommt, so sagt er: »Siehe hier!« und wenn auf Recht: »Wer will mich vorladen«?
20 Wenn ich auch gerecht wäre, so würde mein Mund mich doch verdammen; wäre ich vollkommen, so würde er mich für verkehrt erklären.
21 Vollkommen bin ich; nicht kümmert mich meine Seele, ich verachte mein Leben; es ist eins!
22 Darum sage ich: Den Vollkommenen und den Gesetzlosen vernichtet er.
23 Wenn die Geißel plötzlich tötet, so spottet er der Prüfung der Unschuldigen.
24 Die Erde ist in die Hand des Gesetzlosen gegeben, das Angesicht ihrer Richter verhüllt er. Wenn er es nun nicht ist, wer anders?
25 Und meine Tage eilen schneller dahin als ein Läufer, sie entfliehen, schauen das Glück nicht.
26 Sie ziehen vorüber gleich Rohrschiffen, wie ein Adler, der auf Fraß herabstürzt.
27 Wenn ich sage: Ich will meine Klage vergessen, will mein Angesicht glätten und mich erheitern,
28 so bangt mir vor allen meinen Schmerzen; ich weiß, daß du mich nicht für schuldlos halten wirst.
29 Ich muß schuldig sein; wozu soll ich mich denn nutzlos abmühen?
30 Wenn ich mich mit Schnee wüsche und meine Hände mit Lauge reinigte,
31 alsdann würdest du mich in die Grube tauchen, und meinen eigenen Kleidern würde vor mir ekeln.
32 Denn er ist nicht ein Mann wie ich, daß ich ihm antworten dürfte, daß wir miteinander vor Gericht gehen könnten.
33 Es gibt zwischen uns keinen Schiedsmann, daß er seine Hand auf uns beide legte.
34 Er tue seine Rute von mir weg, und sein Schrecken ängstige mich nicht:
35 so will ich reden und ihn nicht fürchten; denn nicht also steht es bei mir.

Kapitel 10

1 Meine Seele ist meines Lebens überdrüssig; ich will meiner Klage in mir freien Lauf lassen, will reden in der Bitterkeit meiner Seele.
2 Ich will zu Gott sagen: Verdamme mich nicht! laß mich wissen, worüber du mit mir rechtest.
3 Gefällt es dir, daß du bedrückst, daß du die Arbeit deiner Hände verwirfst und über den Rat der Gesetzlosen dein Licht leuchten lässest?
4 Hast du Augen des Fleisches, oder siehst du, wie ein Mensch sieht?
5 Sind deine Tage wie die Tage eines Menschen, oder deine Jahre wie die Tage eines Mannes,
6 daß du nach meiner Ungerechtigkeit suchst und nach meiner Sünde forschest,
7 obwohl du weißt, daß ich nicht schuldig bin, und daß niemand ist, der aus deiner Hand errette?
8 Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet um und um, und du verschlingst mich!
9 Gedenke doch, daß du wie Ton mich gestaltet und zum Staube willst du mich zurückkehren lassen!
10 Hast du mich nicht hingegossen wie Milch, und wie Käse mich gerinnen lassen?
11 Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet, und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten.
12 Leben und Huld hast du mir gewährt, und deine Obhut bewahrte meinen Geist.
13 Doch solches bargest du in deinem Herzen; ich weiß, daß dieses bei dir war:
14 Wenn ich sündigte, so würdest du mich beobachten, und von meiner Missetat mich nicht freisprechen.
15 Wenn ich schuldig wäre, wehe mir! Und wäre ich gerecht, so dürfte ich mein Haupt nicht erheben, gesättigt von Schande und mein Elend schauend.
16 Und richtete es sich empor, wie ein Löwe würdest du mich jagen, und immer wieder deine Wunderkraft an mir erweisen.
17 Du würdest deine Zeugen mir gegenüber erneuern und deinen Zorn wider mich mehren, stets frische Scharen und ein Heer wider mich entbieten.
18 Warum hast du mich doch aus Mutterleibe hervorgehen lassen? Ich hätte verscheiden, und kein Auge hätte mich sehen sollen!
19 Als ob ich nicht gewesen wäre, so hätte ich sein sollen, vom Mutterschoße zu Grabe getragen!
20 Sind meiner Tage nicht wenige? Er lasse ab, wende sich von mir, daß ich ein wenig mich erheitere,
21 ehe ich hingehe (und nicht wiederkomme) in das Land der Finsternis und des Todesschattens,
22 in das Land, düster wie das Dunkel, das Land des Todesschattens und der Unordnung, und wo das Hellwerden dem Dunkel gleich ist!

Kapitel 11

1 Und Zophar, der Naamathiter, antwortete und sprach:
2 Sollte die Menge der Worte nicht beantwortet werden, oder sollte ein Schwätzer recht behalten?
3 Sollte dein Gerede die Leute zum Schweigen bringen, daß du spotten solltest, und niemand dich beschämen,
4 daß du sagen solltest: Meine Lehre ist lauter, und ich bin rein in deinen Augen?
5 Aber möchte Gott doch reden und seine Lippen gegen dich öffnen,
6 und dir kundtun die Geheimnisse der Weisheit, daß sie das Doppelte ist an Bestand! Dann müßtest du erkennen, daß Gott dir viel von deiner Missetat übersieht.
7 Kannst du die Tiefe Gottes erreichen, oder das Wesen des Allmächtigen ergründen?
8 Himmelhoch sind sie, was kannst du tun? Tiefer als der Scheol, was kannst du wissen?
9 Länger als die Erde ist ihr Maß und breiter als das Meer.
10 Wenn er vorüberzieht und in Verhaft nimmt und zum Gericht versammelt, wer will ihm dann wehren?
11 Denn er kennt die falschen Leute; und er sieht Frevel, ohne daß er achtgibt.
12 Auch ein Hohlköpfiger gewinnt Verstand, wenn auch der Mensch als ein Wildeselsfüllen geboren wird.
13 Wenn du dein Herz richtest und deine Hände zu ihm ausbreitest,
14 wenn Frevel in deiner Hand ist, so entferne ihn, und laß Unrecht nicht wohnen in deinen Zelten,
15 ja, dann wirst du dein Angesicht erheben ohne Makel, und wirst unerschütterlich sein und dich nicht fürchten.
16 Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst ihrer gedenken wie vorübergeflossener Wasser;
17 und heller als der Mittag wird dein Leben erstehen; mag es finster sein wie der Morgen wird es werden.
18 Und du wirst Vertrauen fassen, weil es Hoffnung gibt; und du wirst Umschau halten, in Sicherheit dich niederlegen.
19 Und du wirst dich lagern, und niemand wird dich aufschrecken; und viele werden deine Gunst suchen.
20 Aber die Augen der Gesetzlosen werden verschmachten; und jede Zuflucht ist ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist das Aushauchen der Seele.

Kapitel 12

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Fürwahr, ihr seid die Leute, und mit euch wird die Weisheit aussterben!
3 Auch ich habe Verstand wie ihr; ich stehe nicht hinter euch zurück; und wer wüßte nicht dergleichen?
4 Ich muß einer sein, der seinem Freunde zum Gespött ist, der zu Gott ruft, und er antwortet ihm; der Gerechte, Vollkommene ist zum Gespött!
5 Dem Unglück gebührt Verachtung nach den Gedanken des Sorglosen; sie ist bereit für die, welche mit dem Fuße wanken.
6 Die Zelte der Verwüster sind in Ruhe, und Sicherheit ist für die, welche Gott reizen, für den, welcher Gott in seiner Hand führt.
7 Aber frage doch das Vieh, und es wird's dich lehren; und das Gevögel des Himmels, und es wird's dir kundtun;
8 oder rede zu der Erde, und sie wird's dich lehren; und die Fische des Meeres werden es dir erzählen.
9 Wer erkennte nicht an diesen allen, daß die Hand Jahwes solches gemacht hat,
10 in dessen Hand die Seele alles Lebendigen ist und der Geist alles menschlichen Fleisches?
11 Soll nicht das Ohr die Worte prüfen, wie der Gaumen für sich die Speise kostet?
12 Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter.
13 Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und Einsicht.
14 Siehe, er reißt nieder, und es wird nicht wieder gebaut; er schließt über jemand zu, und es wird nicht aufgetan.
15 Siehe, er hemmt die Wasser, und sie vertrocknen; und er läßt sie los, und sie kehren das Land um.
16 Bei ihm ist Kraft und vollkommenes Wissen; sein ist der Irrende und der Irreführende.
17 Er führt Räte beraubt hinweg, und Richter macht er zu Narren.
18 Die Herrschaft der Könige löst er auf, und schlingt eine Fessel um ihre Lenden.
19 Er führt Priester beraubt hinweg, und Feststehende stürzt er um.
20 Zuverlässigen entzieht er die Sprache, und Alten benimmt er das Urteil.
21 Verachtung schüttet er auf Edle, und den Gürtel der Starken macht er schlaff.
22 Er enthüllt Tiefes aus der Finsternis, und Todesschatten zieht er an das Licht hervor.
23 Er vergrößert Nationen, und er vernichtet sie; er breitet Nationen aus, und er führt sie hinweg.
24 Er entzieht den Verstand den Häuptern der Völker der Erde, und macht sie umherirren in pfadloser Einöde;
25 sie tappen in der Finsternis, wo kein Licht ist, und er macht sie umherirren gleich einem Trunkenen.

Kapitel 13

1 Siehe, das alles hat mein Auge gesehen, mein Ohr gehört und sich gemerkt.
2 So viel ihr wisset, weiß auch ich; ich stehe nicht hinter euch zurück.
3 Doch zu dem Allmächtigen will ich reden, und vor Gott mich zu rechtfertigen begehre ich;
4 ihr hingegen seid Lügenschmiede, nichtige Ärzte, ihr alle!
5 O daß ihr doch stille schwieget! Das würde euch zur Weisheit gereichen.
6 Höret doch meine Rechtfertigung, und horchet auf die Beweisgründe meiner Lippen!
7 Wollt ihr für Gott Unrecht reden, und für ihn Trug reden?
8 Wollt ihr für ihn Partei nehmen? Oder wollt ihr für Gott rechten?
9 Ist es gut für euch, daß er euch erforsche? Oder werdet ihr ihn täuschen, wie man einen Menschen täuscht?
10 Strafen wird er euch, wenn ihr im Geheimen die Person ansehet.
11 Wird nicht seine Hoheit euch bestürzen, und sein Schrecken auf euch fallen?
12 Eure Denksprüche sind Sprüche von Asche, eure Schutzwehren erweisen sich als Schutzwehren von Lehm.
13 Schweiget, laßt mich, und ich will reden, was auch über mich ergehen möge.
14 Warum sollte ich mein Fleisch zwischen meine Zähne nehmen, und mein Leben meiner Hand anvertrauen?
15 Siehe, tötet er mich, ich werde auf ihn warten, nur will ich meine Wege ihm ins Angesicht rechtfertigen.
16 Auch das wird mir zur Rettung sein, daß ein Ruchloser nicht vor sein Angesicht kommen darf.
17 Höret, höret meine Rede, und meine Erklärung dringe in eure Ohren!
18 Siehe doch, ich habe die Rechtssache gerüstet! Ich weiß, daß ich Recht behalten werde.
19 Wer ist es, der mit mir rechten könnte? Denn dann wollte ich schweigen und verscheiden.
20 Nur zweierlei tue mir nicht; dann werde ich mich nicht vor deinem Angesicht verbergen.
21 Deine Hand entferne von mir, und dein Schrecken ängstige mich nicht.
22 So rufe denn, und ich will antworten, oder ich will reden, und erwidere mir!
23 Wie viele Missetaten und Sünden habe ich? Laß mich meine Übertretung und meine Sünde wissen!
24 Warum verbirgst du dein Angesicht, und hältst mich für deinen Feind?
25 Willst du ein verwehtes Blatt hinwegschrecken, und die dürre Stoppel verfolgen?
26 Denn Bitteres verhängst du über mich, und lässest mich erben die Missetaten meiner Jugend;
27 und meine Füße legst du in den Stock, und beobachtest alle meine Pfade, grenzest dir ein die Sohlen meiner Füße;
28 da ich doch zerfalle wie Moder, wie ein Kleid, das die Motte zerfressen hat.

Kapitel 14

1 Der Mensch, vom Weibe geboren, ist kurz an Tagen und mit Unruhe gesättigt.
2 Wie eine Blume kommt er hervor und verwelkt; und er flieht wie der Schatten und hat keinen Bestand.
3 Dennoch hast du über einen solchen deine Augen geöffnet, und mich führst du ins Gericht mit dir!
4 Wie könnte ein Reiner aus einem Unreinen kommen? Nicht ein einziger!
5 Wenn denn bestimmt sind seine Tage, die Zahl seiner Monde bei dir sind, wenn du ihm Schranken gesetzt hast, die er nicht überschreiten darf,
6 so blicke von ihm weg, daß er Ruhe habe, bis er wie ein Tagelöhner seinen Tag vollende.
7 Denn für den Baum gibt es Hoffnung: wird er abgehauen, so schlägt er wieder aus, und seine Schößlinge hören nicht auf.
8 Wenn seine Wurzel in der Erde altert, und sein Stumpf im Boden erstirbt:
9 vom Dufte des Wassers sproßt er wieder auf und treibt Zweige wie ein Pflänzling.
10 Der Mann aber stirbt und liegt da; und der Mensch verscheidet, und wo ist er?
11 Es verrinnen die Wasser aus dem See, und der Fluß trocknet ein und versiegt:
12 so legt der Mensch sich hin und steht nicht wieder auf; bis die Himmel nicht mehr sind, erwachen sie nicht und werden nicht aufgeweckt aus ihrem Schlafe.
13 O daß du in dem Scheol mich verstecktest, mich verbärgest, bis dein Zorn sich abwendete, mir eine Frist setztest und dann meiner gedächtest!
14 (Wenn ein Mann stirbt, wird er wieder leben?) Alle Tage meiner Dienstzeit wollte ich harren, bis meine Ablösung käme!
15 Du würdest rufen, und ich würde dir antworten; du würdest dich sehnen nach dem Werke deiner Hände.
16 Denn nun zählst du meine Schritte; wachst du nicht über meine Sünde?
17 Meine Übertretung ist versiegelt in einem Bündel, und du hast hinzugefügt zu meiner Missetat.
18 Und doch, ein Berg stürzt ein, zerfällt, und ein Fels rückt weg von seiner Stelle;
19 Wasser zerreiben die Steine, ihre Fluten schwemmen den Staub der Erde hinweg; aber du machst zunichte die Hoffnung des Menschen.
20 Du überwältigst ihn für immer, und er geht dahin; sein Angesicht entstellend, sendest du ihn hinweg.
21 Seine Kinder kommen zu Ehren, und er weiß es nicht; und sie werden gering, und er achtet nicht auf sie.
22 Nur um ihn selbst hat sein Fleisch Schmerz, und nur um ihn selbst empfindet seine Seele Trauer.

Kapitel 15

1 Und Eliphas, der Temaniter, antwortete und sprach:
2 Wird ein Weiser windige Erkenntnis antworten, und wird er sein Inneres füllen mit Ostwind,
3 streitend mit Reden, die nichts taugen, und mit Worten, womit er nicht nützt?
4 Ja, du vernichtest die Gottesfurcht und schmälerst die Andacht vor Gott.
5 Denn deine Ungerechtigkeit belehrt deinen Mund, und du wählst die Sprache der Listigen.
6 Dein Mund verdammt dich, und nicht ich; und deine Lippen zeugen wider dich.
7 Bist du als Erster zum Menschen gezeugt, und vor den Hügeln du geboren?
8 Hast du im Rate Gottes zugehört, und die Weisheit an dich gerissen?
9 Was weißt du, das wir nicht wüßten, was verstehst du, das uns nicht bekannt wäre?
10 Unter uns sind auch Alte, auch Greise, reicher an Tagen als dein Vater.
11 Sind dir zu wenig die Tröstungen Gottes, und ein sanftes Wort an dich zu gering?
12 Was reißt dein Herz dich hin, und was zwinken deine Augen,
13 daß du gegen Gott dein Schnauben kehrst, und Reden hervorgehen lässest aus deinem Munde?
14 Was ist der Mensch, daß er rein sein sollte, und der vom Weibe Geborene, daß er gerecht wäre?
15 Siehe, auf seine Heiligen vertraut er nicht, und die Himmel sind nicht rein in seinen Augen:
16 wieviel weniger der Abscheuliche und Verderbte, der Mann, der Unrecht trinkt wie Wasser!
17 Ich will dir's berichten, höre mir zu; und was ich gesehen, will ich erzählen,
18 was die Weisen verkündigt und nicht verhehlt haben von ihren Vätern her,
19 ihnen allein war das Land übergeben, und kein Fremder zog durch ihre Mitte;
20 Alle seine Tage wird der Gesetzlose gequält, und eine kleine Zahl von Jahren ist dem Gewalttätigen aufgespart.
21 Die Stimme von Schrecknissen ist in seinen Ohren, im Frieden kommt der Verwüster über ihn;
22 er glaubt nicht an eine Rückkehr aus der Finsternis, und er ist ausersehen für das Schwert.
23 Er schweift umher nach Brot, wo es finden? Er weiß, daß neben ihm ein Tag der Finsternis bereitet ist.
24 Angst und Bedrängnis schrecken ihn, sie überwältigen ihn wie ein König, gerüstet zum Sturm.
25 Weil er seine Hand wider Gott ausgestreckt hat und wider den Allmächtigen trotzte,
26 wider ihn anrannte mit gerecktem Halse, mit den dichten Buckeln seiner Schilde;
27 weil er sein Angesicht bedeckt hat mit seinem Fette und Schmer angesetzt an den Lenden;
28 und zerstörte Städte bewohnte, Häuser, die nicht bewohnt werden sollten, die zu Steinhaufen bestimmt waren:
29 so wird er nicht reich werden, und sein Vermögen wird keinen Bestand haben; und nicht neigt sich zur Erde, was solche besitzen.
30 Er entweicht nicht der Finsternis; seine Schößlinge versengt die Flamme; und er muß weichen durch den Hauch seines Mundes.
31 Er verlasse sich nicht auf Nichtiges, er wird getäuscht; denn Nichtiges wird seine Vergeltung sein.
32 Noch ist sein Tag nicht da, so erfüllt es sich; und sein Palmzweig wird nicht grün.
33 Wie der Weinstock übt er Unbill an seinen unreifen Beeren, und wie der Olivenbaum wirft er seine Blüte ab.
34 Denn der Hausstand des Ruchlosen ist unfruchtbar, und Feuer frißt die Zelte der Bestechung.
35 Sie sind schwanger mit Mühsal und gebären Unheil, und ihr Inneres bereitet Trug.

Kapitel 16

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Ich habe vieles dergleichen gehört; leidige Tröster seid ihr alle!
3 Hat es ein Ende mit den windigen Worten? Oder was reizt dich, daß du antwortest?
4 Auch ich könnte reden wie ihr. Wenn eure Seele an der Stelle meiner Seele wäre, könnte ich Worte wider euch zusammenreihen, und mein Haupt über euch schütteln;
5 ich wollte euch stärken mit meinem Munde, und das Beileid meiner Lippen würde euch Linderung bringen.
6 Wenn ich rede, so wird mein Schmerz nicht gehemmt; und unterlasse ich es, nicht weicht er von mir.
7 Ja, bereits hat er mich erschöpft; du hast meinen ganzen Hausstand verwüstet.
8 Und du hast mich zusammenschrumpfen lassen, zum Zeugen ward es; und meine Abmagerung tritt wider mich auf, sie zeugt mir ins Angesicht.
9 Sein Zorn hat mich zerfleischt und verfolgt, er hat mit seinen Zähnen wider mich geknirscht; als mein Feind schärft er seine Augen wider mich.
10 Ihr Maul haben sie wider mich aufgesperrt, mit Hohn meine Backen geschlagen; allzumal verstärken sie sich wider mich.
11 Gott gab mich preis dem Ungerechten, und in die Hände der Gesetzlosen stürzte er mich.
12 Ich war in Ruhe, und er hat mich zerrüttelt, und er packte mich beim Nacken und zerschmetterte mich; und er stellte mich hin sich zur Zielscheibe.
13 Seine Schützen umringten mich, er spaltete meine Nieren ohne Schonung; er schüttete meine Galle zur Erde.
14 Er durchbrach mich, Bruch auf Bruch; er rannte wider mich, wie ein Held.
15 Ich habe Sacktuch über meine Haut genäht, und mit Staub mein Horn besudelt.
16 Mein Angesicht glüht vom Weinen, und auf meinen Wimpern ist der Schatten des Todes,
17 obwohl keine Gewalttat in meinen Händen, und mein Gebet lauter ist.
18 Erde, bedecke nicht mein Blut, und für mein Geschrei sei kein Platz!
19 Sogar jetzt, siehe, im Himmel ist mein Zeuge, und der mir Zeugnis gibt, in den Höhen.
20 Meine Freunde sind meine Spötter: zu Gott tränt mein Auge,
21 daß er schiedsrichterlich entscheide Gott gegenüber für einen Mann, und für einen Menschensohn hinsichtlich seines Freundes.
22 Denn die zählbaren Jahre gehen vorüber, und ich werde einen Weg dahingehen, auf dem ich nicht wiederkehren werde.

Kapitel 17

1 Mein Geist ist verstört, meine Tage erlöschen, die Gräber sind für mich.
2 Sind nicht Spöttereien um mich her, und muß nicht mein Auge weilen auf ihren Beleidigungen?
3 Setze doch ein, leiste Bürgschaft für mich bei dir selbst! Wer ist es sonst, der in meine Hand einschlagen wird?
4 Denn ihre Herzen hast du der Einsicht verschlossen; darum wirst du ihnen nicht die Oberhand geben.
5 Wenn einer die Freunde zur Beute ausbietet, so werden die Augen seiner Kinder verschmachten.
6 Und er hat mich hingestellt zum Sprichwort der Völker, und ich bin zum Anspeien ins Angesicht.
7 Und mein Auge ist trübe geworden vor Gram, und wie der Schatten sind alle meine Glieder.
8 Die Aufrichtigen werden sich hierüber entsetzen, und der Schuldlose wird aufgebracht werden über den Ruchlosen.
9 Doch der Gerechte wird an seinem Wege festhalten, und der an Händen Reine wird an Stärke zunehmen.
10 Aber ihr alle, kommet nur wieder heran! Und einen Weisen werde ich nicht unter euch finden.
11 Meine Tage sind vorüber, zerrissen sind meine Pläne, das Eigentum meines Herzens.
12 Die Nacht machen sie zum Tage, das Licht nahe vor lauter Finsternis.
13 Wenn ich hoffe, so ist der Scheol mein Haus, in der Finsternis bette ich mein Lager.
14 Zur Verwesung rufe ich: Du bist mein Vater! zu dem Gewürm: Meine Mutter und meine Schwester!
15 Wo denn also ist meine Hoffnung? Ja, meine Hoffnung, wer wird sie schauen?
16 Sie fährt hinab zu den Riegeln des Scheols, wenn wir miteinander im Staube Ruhe haben.

Kapitel 18

1 Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sprach:
2 Wie lange wollt ihr auf Worte Jagd machen? Werdet verständig, und hernach wollen wir reden!
3 Warum werden wir dem Vieh gleich geachtet, sind dumm in euren Augen?
4 Du, der sich selbst zerfleischt in seinem Zorn, soll um deinetwillen die Erde verlassen werden, und ein Fels wegrücken von seiner Stelle?
5 Doch das Licht der Gesetzlosen wird erlöschen, und nicht leuchten wird die Flamme seines Feuers.
6 Das Licht wird finster in seinem Zelte, und seine Lampe erlischt über ihm.
7 Die Schritte seiner Kraft werden eingeengt werden, und sein Ratschlag wird ihn stürzen.
8 Denn durch seine eigenen Füße wird er ins Netz getrieben, und auf Fallgittern wird er einherwandeln.
9 Der Fallstrick wird seine Ferse erfassen, die Schlinge ihn ergreifen.
10 Sein Garn ist verborgen in der Erde, und seine Falle auf dem Pfade.
11 Schrecken ängstigen ihn ringsum und scheuchen ihn auf Schritt und Tritt.
12 Seine Kraft wird aufgezehrt werden durch Hunger, und das Verderben steht bereit an seiner Seite.
13 Der Erstgeborene des Todes wird fressen die Glieder seines Leibes, seine Glieder wird er fressen.
14 Seine Zuversicht wird hinweggerissen werden aus seinem Zelte, und es wird ihn forttreiben zu dem König der Schrecken.
15 Was nicht sein ist, wird in seinem Zelte wohnen, auf seine Wohnstätte wird Schwefel gestreut werden.
16 Unten werden seine Wurzeln verdorren, und oben wird sein Gezweig verwelken.
17 Sein Gedächtnis verschwindet von der Erde, und auf der Fläche des Landes hat er keinen Namen.
18 Man wird ihn aus dem Licht in die Finsternis stoßen, und aus der Welt ihn verjagen.
19 Er wird keinen Sohn und keinen Nachkommen haben unter seinem Volke, noch wird ein Entronnener in seinen Wohnsitzen sein.
20 Über seinen Tag entsetzen sich die im Westen Wohnenden, und die im Osten erfaßt Schauder.
21 Ja, so sind die Wohnungen des Ungerechten, und so ist die Stätte dessen, der Gott nicht kennt.

Kapitel 19

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit Worten zermalmen?
3 Schon zehnmal ist es, daß ihr mich geschmäht habt; ihr schämet euch nicht, mich zu verletzen.
4 Und habe ich auch wirklich geirrt, so bleibt doch mein Irrtum bei mir.
5 Wenn ihr wirklich wider mich großtun wollt, und wider mich dartun meine Schmach,
6 so wisset denn, daß Gott mich in meinem Rechte gebeugt und mich umstellt hat mit seinem Netze.
7 Siehe, ich schreie über Gewalttat, und werde nicht erhört; ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht.
8 Er hat meinen Weg verzäunt, daß ich nicht hinüber kann, und auf meine Pfade legte er Finsternis.
9 Meine Ehre hat er mir ausgezogen, und weggenommen die Krone meines Hauptes.
10 Er hat mich niedergerissen ringsum, so daß ich vergehe, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum.
11 Und seinen Zorn ließ er wider mich entbrennen, und achtete mich seinen Feinden gleich.
12 Allzumal kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg wider mich, und lagerten sich rings um mein Zelt.
13 Meine Brüder hat er von mir entfernt, und meine Bekannten sind mir ganz entfremdet.
14 Meine Verwandten bleiben aus, und meine Vertrauten haben mich vergessen.
15 Meine Hausgenossen und meine Mägde achten mich für einen Fremden; ein Ausländer bin ich in ihren Augen geworden.
16 Meinem Knechte rufe ich, und er antwortet nicht; mit meinem Munde muß ich zu ihm flehen.
17 Mein Atem ist meinem Weibe zuwider, und mein übler Geruch den Kindern meiner Mutter.
18 Selbst Buben verachten mich; will ich aufstehen, so reden sie über mich.
19 Alle meine Vertrauten verabscheuen mich, und die ich liebte, haben sich gegen mich gekehrt.
20 Mein Gebein klebt an meiner Haut und an meinem Fleische, und nur mit der Haut meiner Zähne bin ich entronnen.
21 Erbarmet euch meiner, erbarmet euch meiner, ihr meine Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich angetastet.
22 Warum verfolget ihr mich wie Gott, und werdet meines Fleisches nicht satt?
23 O daß doch meine Worte aufgeschrieben würden! O daß sie in ein Buch gezeichnet würden,
24 mit eisernem Griffel und Blei in den Felsen eingehauen auf ewig!
25 Und ich, ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er auf der Erde stehen;
26 und ist nach meiner Haut dieses da zerstört, so werde ich aus meinem Fleische Gott anschauen,
27 welchen ich selbst mir anschauen, und den meine Augen sehen werden, und kein anderer: meine Nieren verschmachten in meinem Innern.
28 Wenn ihr saget: Wie wollen wir ihn verfolgen? und daß die Wurzel der Sache in mir sich befinde,
29 so fürchtet euch vor dem Schwerte! Denn das Schwert ist der Grimm über die Missetaten; auf daß ihr wisset, daß ein Gericht ist.

Kapitel 20

1 Und Zophar, der Naamathiter, antwortete und sprach:
2 Darum geben meine Gedanken mir Antwort, und deswegen bin ich innerlich erregt:
3 Eine Zurechtweisung, mir zur Schande, höre ich; aber mein Geist antwortet mir aus meiner Einsicht.
4 Weißt du dieses, daß von jeher, seitdem der Mensch auf die Erde gesetzt wurde,
5 der Jubel der Gesetzlosen kurz und die Freude des Ruchlosen für einen Augenblick war?
6 Stiege auch seine Höhe bis zum Himmel hinauf, und rührte sein Haupt an die Wolken:
7 gleich seinem Kote vergeht er auf ewig; die ihn gesehen haben, sagen: Wo ist er?
8 Wie ein Traum verfliegt er, und man findet ihn nicht, und er wird hinweggescheucht wie ein Nachtgesicht.
9 Das Auge hat ihn erblickt und sieht ihn nimmer wieder, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr.
10 Seine Kinder müssen die Armen begütigen, und seine Hände sein Vermögen zurückgeben.
11 Seine Knochen waren voll seiner Jugendkraft, und sie liegt mit ihm in dem Staube.
12 Wenn das Böse in seinem Munde süß war, und er es verbarg unter seiner Zunge,
13 und es aufsparte und nicht fahren ließ und es zurückhielt unter seinem Gaumen:
14 so ist doch nun seine Speise in seinen Eingeweiden verwandelt; Natterngalle ist in seinem Innern.
15 Reichtum hat er verschlungen, und er speit ihn aus: aus seinem Bauche treibt Gott ihn heraus.
16 Natterngift sog er ein: es tötet ihn die Zunge der Otter.
17 Nicht darf er sich laben an Bächen, flutenden Strömen von Honig und Milch.
18 Das Errungene gibt er zurück, und er darf es nicht verschlingen; gemäß dem Vermögen, das er erworben, darf er sich nicht freuen.
19 Denn er hat mißhandelt, verlassen die Armen; Häuser hat er an sich gerissen und wird sie nicht ausbauen.
20 Denn er kannte keine Ruhe in seinem Innern: mit seinem Teuersten wird er nicht entrinnen.
21 Nichts entging seiner Freßgier; darum wird sein Wohlstand nicht dauernd sein.
22 In der Fülle seines Überflusses wird er in Bedrängnis sein; die Hand jedes Notleidenden wird über ihn kommen.
23 Es wird geschehen: um seinen Bauch zu füllen, wird Gott die Glut seines Zornes in ihn entsenden, und sie auf ihn regnen lassen in sein Fleisch hinein.
24 Flieht er vor den eisernen Waffen, so wird der eherne Bogen ihn durchbohren.
25 Er zieht am Pfeile, und er kommt aus dem Leibe hervor, und das glänzende Eisen aus seiner Galle: Schrecken kommen über ihn.
26 Eitel Finsternis ist aufgespart für seine Schätze; ein Feuer, das nicht angeblasen ist, wird ihn fressen, wird verzehren, was in seinem Zelte übriggeblieben.
27 Der Himmel wird seine Ungerechtigkeit enthüllen, und die Erde sich wider ihn erheben.
28 Der Ertrag seines Hauses wird weggeführt werden, wird zerrinnen am Tage seines Zornes.
29 Das ist das Teil des gesetzlosen Menschen von Gott und das von Gott ihm zugesprochene Los.

Kapitel 21

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Höret, höret meine Rede! Und dies ersetze eure Tröstungen.
3 Ertraget mich, und ich will reden, und nachdem ich geredet habe, magst du spotten.
4 Richtet sich meine Klage an einen Menschen? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig sein?
5 Wendet euch zu mir und entsetzet euch, und leget die Hand auf den Mund!
6 Ja, wenn ich daran denke, so bin ich bestürzt, und Schauder erfaßt mein Fleisch.
7 Warum leben die Gesetzlosen, werden alt, nehmen gar an Macht zu?
8 Ihr Same steht fest vor ihnen, mit ihnen, und ihre Sprößlinge vor ihren Augen.
9 Ihre Häuser haben Frieden, ohne Furcht, und Gottes Rute ist nicht über ihnen.
10 Sein Stier belegt und befruchtet sicher, seine Kuh kalbt und wirft nicht fehl.
11 Ihre Buben schicken sie aus gleich einer Herde, und ihre Knaben hüpfen umher.
12 Sie erheben die Stimme bei Tamburin und Laute und sind fröhlich beim Klange der Schalmei.
13 In Wohlfahrt verbringen sie ihre Tage, und in einem Augenblick sinken sie in den Scheol hinab.
14 Und doch sprechen sie zu Gott: Weiche von uns! Und nach der Erkenntnis deiner Wege verlangen wir nicht.
15 Was ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen sollten, und was nützt es uns, daß wir ihn angehen?
16 Siehe, ihre Wohlfahrt steht nicht in ihrer Hand. Der Rat der Gesetzlosen sei fern von mir!
17 Wie oft geschieht es, daß die Leuchte der Gesetzlosen erlischt und ihr Verderben über sie kommt, daß er ihnen Schlingen zuteilt in seinem Zorn,
18 daß sie wie Stroh werden vor dem Winde, und wie Spreu, die der Sturmwind entführt?
19 Gott spart, saget ihr, sein Unheil auf für seine Kinder. Er vergelte ihm, daß er es fühle!
20 Seine Augen sollen sein Verderben sehen, und von dem Grimme des Allmächtigen trinke er!
21 Denn was liegt ihm an seinem Hause nach ihm, wenn die Zahl seiner Monde durchschnitten ist?
22 Kann man Gott Erkenntnis lehren, da er es ja ist, der die Hohen richtet?
23 Dieser stirbt in seiner Vollkraft, ganz wohlgemut und sorglos.
24 Seine Gefäße sind voll Milch, und das Mark seiner Gebeine ist getränkt.
25 Und jener stirbt mit bitterer Seele und hat des Guten nicht genossen.
26 Zusammen liegen sie im Staube, und Gewürm bedeckt sie.
27 Siehe, ich kenne eure Gedanken, und die Anschläge, womit ihr mir Gewalt antut.
28 Denn ihr saget: Wo ist das Haus des Edlen, und wo das Wohngezelt der Gesetzlosen?
29 Habt ihr nicht befragt, die des Weges vorüberziehen? Und erkennet ihr ihre Merkmale nicht:
30 daß der Böse verschont wird am Tage des Verderbens, daß am Tage der Zornesfluten sie weggeleitet werden?
31 Wer wird ihm ins Angesicht seinen Weg kundtun? Und hat er gehandelt, wer wird es ihm vergelten?
32 Und er wird zu den Gräbern hingebracht, und auf dem Grabhügel wacht er.
33 Süß sind ihm die Schollen des Tales. Und hinter ihm her ziehen alle Menschen, und vor ihm her gingen sie ohne Zahl.
34 Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst? Und von euren Antworten bleibt nur Treulosigkeit übrig.

Kapitel 22

1 Und Eliphas, der Temaniter, antwortete und sprach:
2 Kann ein Mann Gott Nutzen bringen? Vielmehr sich selbst nützt der Einsichtige.
3 Liegt dem Allmächtigen daran, wenn du gerecht bist, oder ist es ihm ein Gewinn, wenn du deine Wege vollkommen machst?
4 Ist es wegen deiner Gottesfurcht, daß er dich straft, mit dir ins Gericht geht?
5 Ist nicht deine Bosheit groß, und deiner Missetaten kein Ende?
6 Denn du pfändetest deinen Bruder ohne Ursache, und die Kleider der Nackten zogest du aus;
7 den Lechzenden tränktest du nicht mit Wasser, und dem Hungrigen verweigertest du das Brot.
8 Und dem Manne der Gewalt, ihm gehörte das Land, und der Angesehene wohnte darin.
9 Die Witwe schicktest du leer fort, und die Arme der Waisen wurden zermalmt.
10 Darum sind Schlingen rings um dich her, und ein plötzlicher Schrecken macht dich bestürzt.
11 Oder siehst du nicht die Finsternis und die Wasserflut, die dich bedeckt?
12 Ist Gott nicht so hoch wie die Himmel? Sieh doch den Gipfel der Sterne, wie erhaben sie sind!
13 Und so sprichst du: Was sollte Gott wissen? Kann er richten durch Wolkendunkel hindurch?
14 Die Wolken sind ihm eine Hülle, daß er nicht sieht, und er durchwandelt den Kreis des Himmels.
15 Willst du den Pfad der Vorzeit einhalten, welchen die Frevler betraten,
16 die weggerafft wurden vor der Zeit? Wie ein Strom zerfloß ihr fester Grund;
17 die zu Gott sprachen: Weiche von uns! Und was könnte der Allmächtige für uns tun?
18 Und doch hatte er ihre Häuser mit Wohlstand erfüllt. Aber der Rat der Gesetzlosen sei fern von mir!
19 Die Gerechten sehen es und freuen sich, und der Schuldlose spottet ihrer:
20 Sind nicht unsere Gegner vertilgt, und hat nicht Feuer ihren Überfluß gefressen?
21 Verkehre doch freundlich mit ihm und halte Frieden; dadurch wird Wohlfahrt über dich kommen.
22 Empfange doch Belehrung aus seinem Munde, und nimm dir seine Worte zu Herzen.
23 Wenn du zu dem Allmächtigen umkehrst, so wirst du wieder aufgebaut werden; wenn du Unrecht entfernst aus deinen Zelten.
24 Und lege das Golderz in den Staub und das Gold von Ophir unter den Kies der Bäche;
25 so wird der Allmächtige dein Golderz und dein glänzendes Silber sein.
26 Denn dann wirst du an dem Allmächtigen dich ergötzen und zu Gott dein Angesicht erheben.
27 Du wirst zu ihm beten, und er wird dich erhören; und deine Gelübde wirst du bezahlen.
28 Beschließest du eine Sache, so wird sie zustande kommen, und Licht wird strahlen über deinen Wegen.
29 Wenn sie abwärts gehen, so wirst du sagen: Empor! Und den, der mit gesenkten Augen einhergeht, wird er retten.
30 Selbst den Nicht-Schuldlosen wird er befreien: er wird befreit werden durch die Reinheit deiner Hände.

Kapitel 23

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Auch heute ist meine Klage trotzig; seine Hand lastet schwer auf meinem Seufzen.
3 O daß ich ihn zu finden wüßte, daß ich kommen könnte bis zu seiner Wohnstätte!
4 Ich würde meine Rechtssache vor ihm darlegen, und meinen Mund mit Beweisgründen füllen.
5 Ich würde die Worte wissen, die er mir antworten, und vernehmen, was er mir sagen würde.
6 Würde er in der Größe seiner Kraft mit mir streiten? Nein; er würde nur acht auf mich haben.
7 Alsdann würde ein Rechtschaffener mit ihm rechten, und auf ewig würde ich meinem Richter entkommen.
8 Siehe, gehe ich vorwärts, so ist er nicht da; und rückwärts, so bemerke ich ihn nicht;
9 zur Linken, während er wirkt, so schaue ich ihn nicht; er verhüllt sich zur Rechten, und ich sehe ihn nicht.
10 Denn er kennt den Weg, der bei mir ist; prüfte er mich, wie Gold würde ich hervorgehen.
11 An seinem Schritte hat mein Fuß festgehalten, und seinen Weg habe ich beobachtet und bin nicht abgebogen;
12 von dem Gebote seiner Lippen bin ich nicht abgewichen, ich habe die Worte seines Mundes verwahrt, mehr als meinen eigenen Vorsatz.
13 Doch er bleibt sich gleich, und wer kann seinen Sinn ändern? Was seine Seele begehrt, das tut er.
14 Denn er wird vollenden, was über mich bestimmt ist; und dergleichen ist vieles bei ihm.
15 Darum bin ich bestürzt vor seinem Angesicht; erwäge ich's, so erschrecke ich vor ihm.
16 Ja, Gott hat mein Herz verzagt gemacht, und der Allmächtige mich in Bestürzung versetzt.
17 Denn nicht wegen der Finsternis bin ich vernichtet, noch weil Dunkelheit mein Angesicht bedeckt hat.

Kapitel 24

1 Warum sind nicht Zeiten aufgespart von dem Allmächtigen, und warum sehen die, welche ihn kennen, seine Tage nicht?
2 Sie verrücken die Grenzen, sie rauben die Herde und weiden sie.
3 Sie treiben den Esel der Waisen weg, nehmen das Rind der Witwe zum Pfande;
4 sie stoßen aus dem Wege die Dürftigen. Die Elenden des Landes verkriechen sich allesamt:
5 Siehe, wie Wildesel in der Wüste gehen sie aus an ihr Werk, eifrig nach Beute suchend; die Steppe liefert ihnen Brot für die Kinder.
6 Auf dem Felde schneiden sie sein Futterkorn ab und lesen den Weinberg des Gesetzlosen nach.
7 Nackt übernachten sie, ohne Gewand, und haben keine Bedeckung in der Kälte.
8 Vom Regenguß des Gebirges werden sie durchnäßt, und obdachlos umklammern sie den Felsen.
9 Sie reißen die Waise von der Brust, und was der Elende anhat, nehmen sie zum Pfande.
10 Nackt gehen sie einher, ohne Gewand, und hungernd tragen sie die Garbe;
11 zwischen ihren Mauern pressen sie Öl, treten die Kelter und dursten.
12 Von der Stadt her ächzen Sterbende, und die Seele der Erschlagenen schreit. Und Gott rechnet es nicht als Ungebühr an.
13 Jene gehören zu den Feinden des Lichtes, sie kennen seine Wege nicht und weilen nicht auf seinen Pfaden.
14 Mit dem Lichte steht der Mörder auf, tötet den Elenden und den Dürftigen; und des Nachts ist er dem Diebe gleich.
15 Und das Auge des Ehebrechers lauert auf die Dämmerung, indem er spricht: Kein Auge wird mich erblicken; und er legt einen Schleier an.
16 In der Finsternis erbricht man die Häuser. Bei Tage schließen sie sich ein, das Licht kennen sie nicht.
17 Denn als Morgen gilt ihnen allesamt der Todesschatten, denn ein jeder von ihnen ist bekannt mit den Schrecken des Todesschattens.
18 Er ist schnell auf der Wasserfläche, verflucht wird ihr Grundbesitz auf Erden; nicht mehr schlägt er den Weg zu den Weinbergen ein.
19 Dürre und Hitze raffen Schneewasser hinweg: so der Scheol, die gesündigt haben.
20 Der Mutterleib vergißt seiner, das Gewürm labt sich an ihm, nicht mehr wird seiner gedacht: und das Unrecht wird zerbrochen wie ein Baum,
21 er, der die Unfruchtbare beraubt, die nicht gebiert, und der Witwe kein Gutes tut.
22 Und Mächtige rafft er dahin durch seine Kraft; steht er auf, so getraut man sich nicht des Lebens.
23 Er gibt ihm Sicherheit, und er wird gestützt. Aber seine Augen sind über ihren Wegen.
24 Sie sind hochgestiegen: um ein Kleines, und sie sind nicht mehr; und sie sinken hin, werden zusammengerafft wie alle anderen; und wie der Kopf der Ähre werden sie abgeschnitten.
25 Und wenn es nun nicht so ist, wer wird mich Lügen strafen und meine Rede zunichte machen?

Kapitel 25

1 Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sprach:
2 Herrschaft und Schrecken sind bei ihm; er schafft Frieden in seinen Höhen.
3 Sind seine Scharen zu zählen? Und über wem erhebt sich nicht sein Licht?
4 Und wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott, und wie könnte rein sein ein vom Weibe Geborener?
5 Siehe, sogar der Mond scheint nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in seinen Augen:
6 wieviel weniger der Mensch, der Wurm, und das Menschenkind, die Made!

Kapitel 26

1 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Wie hast du dem Ohnmächtigen geholfen, den kraftlosen Arm gerettet!
3 Wie hast du den beraten, der keine Weisheit hat, und gründliches Wissen in Fülle kundgetan!
4 An wen hast du Worte gerichtet, und wessen Odem ist von dir ausgegangen?
5 Die Schatten beben unter den Wassern und ihren Bewohnern.
6 Der Scheol ist nackt vor ihm, und keine Hülle hat der Abgrund.
7 Er spannt den Norden aus über der Leere, hängt die Erde auf über dem Nichts.
8 Er bindet die Wasser in seine Wolken, und das Gewölk zerreißt nicht unter ihnen.
9 Er verhüllt den Anblick seines Thrones, indem er sein Gewölk darüber ausbreitet.
10 Er rundete eine Schranke ab über der Fläche der Wasser bis zum äußersten Ende, wo Licht und Finsternis zusammentreffen.
11 Die Säulen des Himmels wanken und entsetzen sich vor seinem Schelten.
12 Durch seine Kraft erregt er das Meer, und durch seine Einsicht zerschellt er Rahab.
13 Durch seinen Hauch wird der Himmel heiter, seine Hand durchbohrt den flüchtigen Drachen.
14 Siehe, das sind die Säume seiner Wege; und wie wenig haben wir von ihm gehört! Und den Donner seiner Macht, wer versteht ihn?

Kapitel 27

1 Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch anzuheben, und sprach:
2 So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der Allmächtige, der meine Seele bitter gemacht hat,
3 so lange mein Odem in mir ist, und der Hauch Gottes in meiner Nase:
4 wenn meine Lippen Unrecht reden werden, und wenn meine Zunge Trug aussprechen wird!
5 Fern sei es von mir, daß ich euch recht geben sollte; bis ich verscheide, werde ich meine Unsträflichkeit nicht von mir weichen lassen.
6 An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und werde sie nicht fahren lassen: mein Herz schmäht nicht einen von meinen Tagen.
7 Mein Feind sei wie der Gesetzlose, und der wider mich auftritt wie der Ungerechte.
8 Denn was ist des Ruchlosen Hoffnung, wenn Gott abschneidet, wenn er seine Seele herauszieht?
9 Wird Gott sein Geschrei hören, wenn Bedrängnis über ihn kommt?
10 Oder wird er sich an dem Allmächtigen ergötzen, Gott anrufen zu aller Zeit?
11 Ich will euch belehren über die Hand Gottes; was bei dem Allmächtigen ist, will ich nicht verhehlen.
12 Siehe, ihr selbst habt es alle erschaut, und warum denn schwatzet ihr so eitel?
13 Dies ist das Teil des gesetzlosen Menschen bei Gott, und das Erbe der Gewalttätigen, welches sie von dem Allmächtigen empfangen:
14 Wenn seine Kinder sich mehren, so ist er für das Schwert, und seine Sprößlinge, sie haben nicht satt Brot.
15 Seine Übriggebliebenen werden begraben durch den Tod, und seine Witwen weinen nicht.
16 Wenn er Silber aufhäuft wie Staub, und Kleider bereitet wie Lehm:
17 er bereitet sie, aber der Gerechte bekleidet sich damit; und Schuldlose teilen sich in das Silber.
18 Er hat sein Haus gebaut wie die Motte, und der Hütte gleich, die ein Wächter sich macht.
19 Reich legt er sich ihn, und er tut es nicht wieder; er schlägt die Augen auf, und ist nicht mehr.
20 Schrecken ereilen ihn wie Wasser, des Nachts entführt ihn ein Sturmwind.
21 Der Ostwind hebt ihn empor, daß er dahinfährt, und stürmt ihn fort von seiner Stätte.
22 Und Gott schleudert auf ihn ohne Schonung; seiner Hand möchte er flüchtend entfliehen.
23 Man klatscht über ihn in die Hände, und zischt ihm nach von seiner Stätte aus.

Kapitel 28

1 Denn für das Silber gibt es einen Fundort, und eine Stätte für das Gold, das man läutert.
2 Eisen wird hervorgeholt aus der Erde, und Gestein schmelzt man zu Kupfer.
3 Er hat der Finsternis ein Ende gesetzt, und durchforscht bis zur äußersten Grenze das Gestein der Finsternis und des Todesschattens.
4 Er bricht einen Schacht fern von dem Wohnenden; die von dem Fuße Vergessenen hangen hinab, fern von den Menschen schweben sie.
5 Die Erde, aus ihr kommt Brot hervor, und ihr Unteres wird zerwühlt wie vom Feuer.
6 Ihr Gestein ist der Sitz des Saphirs, und Goldstufen sind darin.
7 Ein Pfad, den der Raubvogel nicht kennt, und den das Auge des Habichts nicht erblickt hat;
8 den die wilden Tiere nicht betreten, über den der Löwe nicht hingeschritten ist.
9 Er legt seine Hand an das harte Gestein, wühlt die Berge um von der Wurzel aus.
10 Kanäle haut er durch die Felsen, und allerlei Köstliches sieht sein Auge.
11 Er dämmt Flüsse ein, daß sie nicht durchsickern, und Verborgenes zieht er hervor an das Licht.
12 Aber die Weisheit, wo wird sie erlangt? Und welches ist die Stätte des Verstandes?
13 Kein Mensch kennt ihren Wert, und im Lande der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
14 Die Tiefe spricht: Sie ist nicht in mir, und das Meer spricht: Sie ist nicht bei mir.
15 Geläutertes Gold kann nicht für sie gegeben, und Silber nicht dargewogen werden als ihr Kaufpreis.
16 Sie wird nicht aufgewogen mit Gold von Ophir, mit kostbarem Onyx und Saphir.
17 Gold und Glas kann man ihr nicht gleichstellen, noch sie eintauschen gegen ein Gerät von gediegenem Golde.
18 Korallen und Kristall kommen neben ihr nicht in Erwähnung; und der Besitz der Weisheit ist mehr wert als Perlen.
19 Nicht kann man ihr gleichstellen den Topas von Äthiopien; mit feinem Golde wird sie nicht aufgewogen.
20 Die Weisheit nun, woher kommt sie, und welches ist die Stätte des Verstandes?
21 Denn sie ist verborgen vor den Augen aller Lebendigen, und vor den Vögeln des Himmels ist sie verhüllt.
22 Der Abgrund und der Tod sagen: Mit unseren Ohren haben wir ein Gerücht von ihr gehört.
23 Gott versteht ihren Weg, und er kennt ihre Stätte.
24 Denn er schaut bis zu den Enden der Erde; unter dem ganzen Himmel sieht er.
25 Als er dem Winde ein Gewicht bestimmte, und die Wasser mit dem Maße abwog,
26 als er dem Regen ein Gesetz bestimmte und eine Bahn dem Donnerstrahl:
27 da sah er sie und tat sie kund, er setzte sie ein und durchforschte sie auch.
28 Und zu dem Menschen sprach er: Siehe, die Furcht des Herrn ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Verstand.

Kapitel 29

1 Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch anzuheben, und sprach:
2 O daß ich wäre wie in den Monden der Vorzeit, wie in den Tagen, da Gott mich bewahrte,
3 als seine Leuchte über meinem Haupte schien, und ich bei seinem Lichte durch die Finsternis wandelte;
4 wie ich war in den Tagen meiner Reife, als das Vertrauen Gottes über meinem Zelte waltete,
5 als der Allmächtige noch mit mir war, meine Knaben rings um mich her;
6 als meine Schritte sich in Milch badeten, und der Fels neben mir Ölbäche ergoß;
7 als ich durch das Tor in die Stadt hineinging, meinen Sitz auf dem Platze aufstellte:
8 Die Jünglinge sahen mich und verbargen sich, und die Greise erhoben sich, blieben stehen;
9 die Fürsten hielten die Worte zurück und legten die Hand auf ihren Mund;
10 die Stimme der Vornehmen verstummte, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen.
11 Denn wenn das Ohr von mir hörte, so pries es mich glücklich, und wenn das Auge mich sah, so legte es Zeugnis von mir ab.
12 Denn ich befreite den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer hatte.
13 Der Segen des Umkommenden kam über mich, und das Herz der Witwe machte ich jubeln.
14 Ich kleidete mich in Gerechtigkeit, und sie bekleidete mich, wie in Oberkleid und Kopfbund in mein Recht.
15 Auge war ich dem Blinden, und Fuß dem Lahmen;
16 Vater war ich den Dürftigen, und die Rechtssache dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich;
17 und ich zerbrach das Gebiß des Ungerechten, und seinen Zähnen entriß ich die Beute.
18 Und ich sprach: In meinem Neste werde ich verscheiden, und meine Tage vermehren wie der Sand;
19 meine Wurzel wird ausgebreitet sein am Wasser, und der Tau wird übernachten auf meinem Gezweig;
20 meine Ehre wird frisch bei mir bleiben, und mein Bogen sich in meiner Hand verjüngen.
21 Sie hörten mir zu und harrten, und horchten schweigend auf meinen Rat.
22 Nach meinem Worte sprachen sie nicht wieder, und auf sie träufelte meine Rede.
23 Und sie harrten auf mich wie auf den Regen, und sperrten ihren Mund auf wie nach dem Spätregen.
24 Ich lächelte ihnen zu, wenn sie kein Vertrauen hatten, und das Licht meines Angesichts konnten sie nicht trüben.
25 Ich wählte für sie den Weg aus, und saß als Haupt, und thronte wie ein König unter der Kriegsschar, gleichwie einer, der Trauernde tröstet.

Kapitel 30

1 Und nun lachen über mich Jüngere als ich an Jahren, deren Väter ich verschmähte, den Hunden meiner Herde beizugesellen.
2 Wozu sollte mir auch die Kraft ihrer Hände nützen? Die Rüstigkeit ist bei ihnen verschwunden.
3 Durch Mangel und Hunger abgezehrt, nagen sie das dürre Land ab, welches längst öde und verödet ist;
4 sie pflücken Salzkraut bei den Gesträuchen, und die Wurzel der Ginster ist ihre Speise.
5 Aus der Mitte der Menschen werden sie vertrieben; man schreit über sie wie über einen Dieb.
6 In grausigen Klüften müssen sie wohnen, in Erdlöchern und Felsenhöhlen.
7 Zwischen Gesträuchen kreischen sie, unter Dorngestrüpp sind sie hingestreckt.
8 Kinder von Verworfenen, ja, Kinder von Ehrlosen, sind sie hinausgepeitscht aus dem Lande!
9 Und nun bin ich ihr Spottlied geworden, und ward ihnen zum Gerede.
10 Sie verabscheuen mich, treten fern von mir weg, und sie verschonen mein Angesicht nicht mit Speichel.
11 Denn er hat meinen Strick gelöst und mich gebeugt: so lassen sie vor mir den Zügel schießen.
12 Zu meiner Rechten erhebt sich die Brut; sie stoßen meine Füße hinweg und bahnen wider mich ihre verderblichen Wege.
13 Sie zerstören meinen Pfad, befördern meinen Untergang, sie, die selbst hilflos sind.
14 Sie kommen wie durch einen weiten Riß, unter Gekrach wälzen sie sich heran.
15 Schrecknisse haben sich gegen mich gekehrt; sie verfolgen wie der Wind meine Würde, und mein Heil ist vorübergezogen wie eine Wolke.
16 Und nun ergießt sich in mir meine Seele; Tage des Elends haben mich ergriffen.
17 Die Nacht durchbohrt meine Gebeine und löst sie von mir ab, und die an mir nagenden Schmerzen ruhen nicht.
18 Durch die Größe ihrer Kraft verändert sich mein Gewand, es umschließt mich wie der Halssaum meines Leibrocks.
19 Er hat mich in den Kot geworfen, und ich bin dem Staube und der Asche gleich geworden.
20 Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht; ich stehe da, und du starrst mich an.
21 In einen Grausamen verwandelst du dich mir, mit der Stärke deiner Hand befeindest du mich.
22 Du hebst mich empor auf den Wind, du lässest mich dahinfahren und zerrinnen im Sturmgetöse.
23 Denn ich weiß es, du willst mich in den Tod zurückführen und in das Versammlungshaus aller Lebendigen.
24 Doch streckt man beim Sturze nicht die Hand aus, oder erhebt man bei seinem Untergang nicht darob ein Hilfsgeschrei?
25 Weinte ich denn nicht über den, der harte Tage hatte? War meine Seele nicht um den Dürftigen bekümmert?
26 Denn ich erwartete Gutes, und es kam Böses; und ich harrte auf Licht, und es kam Finsternis.
27 Meine Eingeweide wallen und ruhen nicht; Tage des Elends sind mir entgegengetreten.
28 Trauernd gehe ich einher, ohne Sonne; ich stehe auf in der Versammlung und schreie.
29 Ich bin ein Bruder geworden den Schakalen, und ein Genosse den Straußen.
30 Meine Haut ist schwarz geworden und löst sich von mir ab, und mein Gebein ist brennend vor Glut.
31 Und so ist meine Laute zur Trauerklage geworden, und meine Schalmei zur Stimme der Weinenden.

Kapitel 31

1 Ich habe mit meinen Augen einen Bund gemacht, und wie hätte ich auf eine Jungfrau geblickt!
2 Denn was wäre das Teil Gottes von oben gewesen, und das Erbe des Allmächtigen aus den Höhen?
3 Ist nicht Verderben für den Ungerechten, und Mißgeschick für die, welche Frevel tun?
4 Sieht er nicht meine Wege und zählt alle meine Schritte?
5 Wenn ich mit Falschheit umgegangen bin und mein Fuß dem Truge zugeeilt ist,
6 er wäge mich auf der Waage der Gerechtigkeit, und Gott wird meine Unsträflichkeit erkennen,
7 wenn mein Schritt von dem Wege abgebogen, und mein Herz meinen Augen gefolgt ist, und an meinen Händen ein Makel kleben blieb:
8 so möge ich säen, und ein anderer essen, und meine Sprößlinge mögen entwurzelt werden!
9 Wenn mein Herz zu einem Weibe verlockt worden ist und ich an der Tür meines Nächsten gelauert habe:
10 so möge mein Weib für einen anderen mahlen, und andere mögen sich über sie beugen!
11 Denn das ist eine Schandtat, und das eine Missetat für die Richter.
12 Denn ein Feuer ist es, das bis zum Abgrund frißt, und das meinen ganzen Ertrag entwurzeln würde.
13 Wenn ich das Recht meines Knechtes und meiner Magd mißachtete, als sie mit mir stritten:
14 was wollte ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte, was ihm erwidern?
15 Hat nicht er, der mich im Mutterleibe bereitete, auch ihn bereitet, und hat nicht einer im Schoße uns gebildet?
16 Wenn ich den Armen ihr Begehr versagte, und die Augen der Witwe verschmachten ließ,
17 und aß meinen Bissen allein, so daß der Verwaiste nicht davon gegessen hat
18 ist er doch von meiner Jugend an bei mir aufgewachsen, wie bei einem Vater, und von meiner Mutter Leibe an habe ich sie geleitet;
19 wenn ich jemand umkommen sah aus Mangel an Kleidung, und den Dürftigen ohne Decke,
20 wenn seine Lenden mich nicht gesegnet haben, und er mit der Wolle meiner Lämmer sich nicht erwärmte;
21 wenn ich meine Hand geschwungen über eine Waise, weil ich im Tore meinen Beistand sah:
22 so falle meine Schulter aus ihrem Blatt, und mein Arm werde abgebrochen von der Röhre!
23 Denn das Verderben Gottes war mir ein Schrecken, und vor seiner Erhabenheit vermochte ich nichts.
24 Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht, und zu dem feinen Golde gesagt habe: Mein Vertrauen!
25 wenn ich mich freute, daß mein Vermögen groß war, und daß meine Hand Ansehnliches erworben hatte;
26 wenn ich die Sonne sah, wie sie glänzte, und den Mond in Pracht dahinwandeln,
27 und mein Herz im Geheimen verführt wurde und mein Mund meine Hand geküßt hat:
28 auch das wäre eine gerichtlich zu strafende Missetat; denn Gott droben würde ich verleugnet haben.
29 Wenn ich mich freute über das Unglück meines Hassers und aufjauchzte, als Böses ihn traf,
30 nie habe ich ja meinem Gaumen erlaubt, zu sündigen, durch einen Fluch seine Seele zu fordern;
31 wenn die Leute meines Zeltes nicht gesagt haben: Wer wäre nicht von dem Fleische seines Schlachtviehes satt geworden!
32 der Fremdling übernachtete nicht draußen, ich öffnete dem Wanderer meine Tür;
33 wenn ich, wie Adam, meine Übertretungen zugedeckt habe, verbergend in meinem Busen meine Missetat,
34 weil ich mich fürchtete vor der großen Menge, und die Verachtung der Familien mich erschreckte, so daß ich mich still hielt, nicht zur Türe hinausging...
35 O daß ich einen hätte, der auf mich hörte, hier ist meine Unterschrift; der Allmächtige antworte mir! und die Klageschrift, welche mein Gegner geschrieben!
36 Würde ich sie nicht auf meiner Schulter tragen, sie mir umbinden als Krone?
37 Ich würde ihm kundtun die Zahl meiner Schritte, würde ihm nahen wie ein Fürst.
38 Wenn mein Acker über mich schreit, und seine Furchen allesamt weinen;
39 wenn ich seinen Ertrag ohne Zahlung verzehrt habe, und die Seele seiner Besitzer aushauchen ließ:
40 so mögen Dornen statt Weizen, und Unkraut statt Gerste hervorkommen! Die Worte Hiobs sind zu Ende.

Kapitel 32

1 Und jene drei Männer hörten auf, dem Hiob zu antworten, weil er in seinen Augen gerecht war.
2 Da entbrannte der Zorn Elihus, des Sohnes Barakeels, des Busiters, vom Geschlechte Ram; sein Zorn entbrannte wider Hiob, weil er sich selbst mehr rechtfertigte als Gott.
3 Und sein Zorn entbrannte wider seine drei Freunde, darum, daß sie keine Antwort fanden und Hiob verdammten.
4 Aber Elihu hatte auf Hiob gewartet mit Reden, weil jene älter an Jahren waren als er.
5 Und als Elihu sah, daß keine Antwort in dem Munde der drei Männer war, da entbrannte sein Zorn.
6 Und Elihu, der Sohn Barakeels, der Busiter, hob an und sprach: Ich bin jung an Jahren, und ihr seid Greise; darum habe ich mich gescheut und gefürchtet, euch mein Wissen kundzutun.
7 Ich sagte: Mögen die Tage reden, und die Menge der Jahre Weisheit verkünden.
8 Jedoch der Geist ist es in den Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.
9 Nicht die Bejahrten sind weise, noch verstehen die Alten, was recht ist.
10 Darum sage ich: Höre mir zu, auch ich will mein Wissen kundtun.
11 Siehe, ich harrte auf eure Reden, horchte auf eure Einsichten, bis ihr Worte ausfindig gemacht hättet,
12 und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf euch; und siehe, keiner ist unter euch, der Hiob widerlegt, der seine Reden beantwortet hätte.
13 Daß ihr nur nicht saget: Wir haben Weisheit gefunden. Gott wird ihn aus dem Felde schlagen, nicht ein Mensch!
14 Er hat ja an mich keine Worte gerichtet, und mit euren Reden werde ich ihm nicht erwidern.
15 Sie sind bestürzt, sie antworten nicht mehr, die Worte sind ihnen ausgegangen.
16 Und ich sollte warten, weil sie nicht reden, weil sie dastehen, nicht mehr antworten?
17 Auch ich will mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen kundtun.
18 Denn voll bin ich von Worten; der Geist meines Innern drängt mich.
19 Siehe, mein Inneres ist wie Wein, der nicht geöffnet ist; gleich neuen Schläuchen will es bersten.
20 Ich will reden, daß mir Luft werde, will meine Lippen auftun und antworten.
21 Daß ich nur ja für niemand Partei nehme! Und keinem Menschen werde ich schmeicheln.
22 Denn ich weiß nicht zu schmeicheln: gar bald würde mein Schöpfer mich hinwegnehmen.

Kapitel 33

1 Nun aber, Hiob, höre doch meine Reden, und nimm zu Ohren alle meine Worte.
2 Siehe doch, ich habe meinen Mund aufgetan, meine Zunge redet in meinem Gaumen.
3 Meine Worte sollen die Geradheit meines Herzens sein, und was meine Lippen wissen, sollen sie rein heraussagen.
4 Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des Allmächtigen belebt mich.
5 Wenn du kannst, so antworte mir; rüste dich vor mir, stelle dich!
6 Siehe, ich bin Gottes, wie du; vom Tone abgekniffen bin auch ich.
7 Siehe, mein Schrecken wird dich nicht ängstigen, und mein Druck wird nicht schwer auf dir lasten.
8 Fürwahr, du hast vor meinen Ohren gesprochen, und ich hörte die Stimme der Worte:
9 Ich bin rein, ohne Übertretung; ich bin makellos, und keine Ungerechtigkeit ist an mir.
10 Siehe, er erfindet Feindseligkeiten wider mich; er hält mich für seinen Feind.
11 Er legt meine Füße in den Stock, beobachtet alle meine Pfade.
12 Siehe, darin hast du nicht recht, antworte ich dir; denn Gott ist erhabener als ein Mensch.
13 Warum hast du wider ihn gehadert? Denn über all sein Tun gibt er keine Antwort.
14 Doch in einer Weise redet Gott und in zweien, ohne daß man es beachtet.
15 Im Traume, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, im Schlummer auf dem Lager:
16 dann öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die er ihnen gibt,
17 um den Menschen von seinem Tun abzuwenden, und auf daß er Übermut vor dem Manne verberge;
18 daß er seine Seele zurückhalte von der Grube, und sein Leben vom Rennen ins Geschoß.
19 Auch wird er gezüchtigt mit Schmerzen auf seinem Lager und mit beständigem Kampf in seinen Gebeinen.
20 Und sein Leben verabscheut das Brot, und seine Seele die Lieblingsspeise;
21 sein Fleisch zehrt ab, daß man es nicht mehr sieht, und entblößt sind seine Knochen, die nicht gesehen wurden;
22 und seine Seele nähert sich der Grube, und sein Leben den Würgern.
23 Wenn es nun für ihn einen Gesandten gibt, einen Ausleger, einen aus tausend, um dem Menschen seine Geradheit kundzutun,
24 so wird er sich seiner erbarmen und sprechen: Erlöse ihn, daß er nicht in die Grube hinabfahre; ich habe eine Sühnung gefunden.
25 Sein Fleisch wird frischer sein als in der Jugend; er wird zurückkehren zu den Tagen seiner Jünglingskraft.
26 Er wird zu Gott flehen, und Gott wird ihn wohlgefällig annehmen, und er wird sein Angesicht schauen mit Jauchzen; und Gott wird dem Menschen seine Gerechtigkeit vergelten.
27 Er wird von den Menschen singen und sagen: Ich hatte gesündigt und die Geradheit verkehrt, und es ward mir nicht vergolten;
28 er hat meine Seele erlöst, daß sie nicht in die Grube fahre, und mein Leben erfreut sich des Lichtes.
29 Siehe, das alles tut Gott zwei-, dreimal mit dem Manne,
30 um seine Seele abzuwenden von der Grube, daß sie erleuchtet werde von dem Lichte der Lebendigen.
31 Merke auf, Hiob, höre mir zu; schweige, und ich will reden.
32 Wenn du Worte hast, so antworte mir; rede, denn ich wünsche dich zu rechtfertigen.
33 Wenn nicht, so höre du mir zu; schweige, und ich werde dich Weisheit lehren.

Kapitel 34

1 Und Elihu hob wieder an und sprach:
2 Höret, ihr Weisen, meine Worte, und ihr Kundigen, gebet mir Gehör!
3 Denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speise kostet.
4 Erwählen wir für uns, was recht, erkennen wir unter uns, was gut ist!
5 Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir mein Recht entzogen.
6 Trotz meines Rechtes soll ich lügen; meine Wunde ist unheilbar, ohne daß ich übertreten habe.
7 Wer ist ein Mann wie Hiob, der Hohn trinkt wie Wasser,
8 und in Gesellschaft geht mit denen, die Frevel tun, und wandelt mit gottlosen Menschen?
9 Denn er hat gesagt: Keinen Nutzen hat ein Mann davon, daß er Wohlgefallen an Gott hat!
10 Darum höret mir zu, ihr Männer von Verstand! Fern sei Gott von Gesetzlosigkeit, und der Allmächtige von Unrecht!
11 Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach jemandes Wege läßt er es ihn finden.
12 Ja, wahrlich, Gott handelt nicht gesetzlos, und der Allmächtige beugt nicht das Recht.
13 Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer den ganzen Erdkreis gegründet?
14 Wenn er sein Herz nur auf sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Odem an sich zurückzöge,
15 so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden, und der Mensch zum Staube zurückkehren.
16 Und wenn du doch dieses einsehen und hören, der Stimme meiner Worte Gehör schenken wolltest!
17 Sollte auch herrschen, wer das Recht haßt? Oder willst du den Allgerechten verdammen?
18 Sagt man zu einem Könige: Belial, zu Edlen: Du Gottloser?
19 Wieviel weniger zu ihm, der die Person der Fürsten nicht ansieht und den Reichen nicht vor dem Armen berücksichtigt! Denn sie alle sind das Werk seiner Hände.
20 In einem Augenblick sterben sie; und in der Mitte der Nacht wird ein Volk erschüttert und vergeht, und Mächtige werden beseitigt ohne Hand.
21 Denn seine Augen sind auf die Wege des Menschen gerichtet, und er sieht alle seine Schritte.
22 Da ist keine Finsternis und kein Todesschatten, daß sich darein verbergen könnten, die Frevel tun.
23 Denn er braucht nicht lange auf einen Menschen acht zu geben, damit er vor Gott ins Gericht komme.
24 Er zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung, und setzt andere an ihre Stelle.
25 Daher kennt er ihre Handlungen, und kehrt sie um über Nacht; und sie werden zermalmt.
26 Er schlägt sie, wie Übeltäter, auf öffentlichem Platze,
27 darum daß sie von seiner Nachfolge abgewichen sind und alle seine Wege nicht bedacht haben,
28 um zu ihm hinaufdringen zu lassen das Schreien des Armen, und damit er das Schreien der Elenden höre.
29 Schafft er Ruhe, wer will beunruhigen? Und verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn schauen? So handelt er sowohl gegen ein Volk, als auch gegen einen Menschen zumal,
30 damit der ruchlose Mensch nicht regiere, damit sie nicht Fallstricke des Volkes seien.
31 Denn hat er wohl zu Gott gesagt: Ich trage meine Strafe, ich will nicht mehr verderbt handeln;
32 was ich nicht sehe, zeige du mir; wenn ich Unrecht verübt habe, so will ich es nicht mehr tun?
33 Soll nach deinem Sinne er es vergelten? Denn du hast seine Vergeltung verworfen, und so mußt du wählen, und nicht ich; was du weißt, reden denn!
34 Männer von Verstand werden zu mir sagen, und ein weiser Mann, der mir zuhört:
35 Hiob redet nicht mit Erkenntnis, und seine Worte sind ohne Einsicht.
36 Ach, daß doch Hiob fort und fort geprüft würde wegen seiner Antworten nach Frevlerart!
37 Denn er fügt seiner Sünde Übertretung hinzu, klatscht unter uns in die Hände und mehrt seine Worte gegen Gott.

Kapitel 35

1 Und Elihu hob wieder an und sprach:
2 Hältst du das für recht? Du hast gesagt: Meine Gerechtigkeit ist größer als diejenige Gottes.
3 Denn du fragst, was sie dir nütze; was gewinne ich mehr, als wenn ich gesündigt hätte?
4 Ich will dir Worte erwidern und deinen Genossen mit dir.
5 Blicke gen Himmel und sieh, und schaue die Wolken an, sie sind höher als du.
6 Wenn du sündigst, was tust du ihm an? Und mehren sich deine Übertretungen, was fügst du ihm zu?
7 Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder was empfängt er aus deiner Hand?
8 Für einen Mann wie du gilt deine Gesetzlosigkeit etwas, und für ein Menschenkind deine Gerechtigkeit.
9 Wegen der Menge der Bedrückungen schreit man; man ruft um Hilfe wegen des Armes der Großen.
10 Aber man spricht nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer, der Gesänge gibt in der Nacht,
11 der uns mehr belehrt als die Tiere der Erde, und uns weiser macht als das Gevögel des Himmels?
12 Alsdann schreit man, aber er antwortet nicht, wegen des Hochmuts der Bösen.
13 Auf nur Eitles hört Gott nicht, und der Allmächtige schaut es nicht an.
14 Wenn du auch sagst, du schauest ihn nicht, die Rechtssache ist vor ihm; so harre sein.
15 Und nun, wenn sein Zorn nicht heimgesucht hat, sollte er nicht sehr wohl um den Übermut wissen?
16 Und so sperrt Hiob eitler Weise seinen Mund auf, häuft Worte ohne Erkenntnis.

Kapitel 36

1 Und Elihu fuhr fort und sprach:
2 Harre mir ein wenig, und ich will dir berichten; denn noch sind Worte da für Gott.
3 Ich will mein Wissen von weither holen, und meinem Schöpfer Gerechtigkeit geben.
4 Denn wahrlich, meine Worte sind keine Lüge; ein an Wissen Vollkommener ist bei dir.
5 Siehe, Gott ist mächtig, und doch verachtet er niemand, mächtig an Kraft des Verstandes.
6 Er erhält den Gesetzlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden gewährt er.
7 Er zieht seine Augen nicht ab von dem Gerechten, und mit Königen auf den Thron, dahin setzt er sie auf immerdar, und sie sind erhöht.
8 Und wenn sie mit Fesseln gebunden sind, in Stricken des Elends gefangen werden,
9 dann macht er ihnen kund ihr Tun und ihre Übertretungen, daß sie sich trotzig gebärdeten;
10 und er öffnet ihr Ohr der Zucht und spricht, daß sie umkehren sollen vom Frevel.
11 Wenn sie hören und sich unterwerfen, so werden sie ihre Tage in Wohlfahrt verbringen und ihre Jahre in Annehmlichkeiten.
12 Wenn sie aber nicht hören, so rennen sie ins Geschoß und verscheiden ohne Erkenntnis.
13 Aber die ruchlosen Herzens sind, hegen Zorn: sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie gefesselt hat.
14 Ihre Seele stirbt dahin in der Jugend, und ihr Leben unter den Schandbuben.
15 Den Elenden errettet er in seinem Elend, und in der Drangsal öffnet er ihnen das Ohr.
16 So hätte er auch dich aus dem Rachen der Bedrängnis in einen weiten Raum geführt, wo keine Beengung gewesen, und die Besetzung deines Tisches würde voll Fett sein.
17 Aber du bist mit dem Urteil des Gesetzlosen erfüllt: Urteil und Gericht werden dich ergreifen.
18 Denn der Grimm, möge er dich ja nicht verlocken zur Verhöhnung, und die Größe des Lösegeldes verleite dich nicht!
19 Soll dich dein Schreien außer Bedrängnis stellen und alle Anstrengungen der Kraft?
20 Sehne dich nicht nach der Nacht, welche Völker plötzlich hinwegheben wird.
21 Hüte dich, wende dich nicht zum Frevel, denn das hast du dem Elend vorgezogen.
22 Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht; wer ist ein Lehrer wie er?
23 Wer hat ihm seinen Weg vorgeschrieben, und wer dürfte sagen: Du hast Unrecht getan?
24 Gedenke daran, daß du sein Tun erhebest, welches Menschen besingen.
25 Alle Menschen schauen es an, der Sterbliche erblickt es aus der Ferne.
26 Siehe, Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis; die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich.
27 Denn er zieht Wassertropfen herauf; von dem Dunst, den er bildet,
28 träufeln sie als Regen, den die Wolken rieseln und tropfen lassen auf viele Menschen.
29 Versteht man gar das Ausbreiten des Gewölks, das Krachen seines Zeltes?
30 Siehe, er breitet sein Licht um sich aus, und die Gründe des Meeres bedeckt er.
31 Denn durch dieses richtet er Völker, gibt Speise im Überfluß.
32 Seine Hände umhüllt er mit dem Blitz, und er entbietet ihn gegen denjenigen, den er treffen soll.
33 Sein Rollen kündigt ihn an, sogar das Vieh sein Heranziehen.

Kapitel 37

1 Ja, darüber erzittert mein Herz und bebt auf von seiner Stelle.
2 Höret, höret das Getöse seiner Stimme und das Gemurmel, das aus seinem Munde hervorgeht!
3 Er sendet es aus unter den ganzen Himmel, und seinen Blitz bis zu den Säumen der Erde.
4 Nach dem Blitze brüllt eine Stimme; er donnert mit seiner erhabenen Stimme, und hält die Blitze nicht zurück, wenn seine Stimme gehört wird.
5 Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme; er tut große Dinge, die wir nicht begreifen.
6 Denn zum Schnee spricht er: Falle zur Erde! und zum Regengusse und den Güssen seines gewaltigen Regens.
7 Er lähmt die Hand eines jeden Menschen, damit alle Menschen sein Werk kennen lernen.
8 Und das Wild geht in sein Versteck und bleibt in seinen Höhlen.
9 Aus der Kammer des Südens kommt Sturm, und von den Nordwinden Kälte.
10 Durch den Odem Gottes entsteht Eis, und die Breite der Wasser zieht sich zusammen.
11 Auch beladet er mit Wasserfülle das Gewölk, breitet weithin aus seine Blitzwolken.
12 Und unter seiner Leitung wenden sie sich ringsumher zu ihrem Werke, zu allem, was er ihnen gebietet, über die Fläche des Erdkreises hin,
13 sei es, daß er sie zur Geißel, oder für seine Erde, oder zur Erweisung seiner Gnade sich entladen läßt.
14 Nimm dieses zu Ohren, Hiob; stehe und betrachte die Wunder Gottes!
15 Weißt du, wie Gott sie beladet, und leuchten läßt den Blitz seines Gewölks?
16 Verstehst du dich auf das Schweben der Wolke, auf die Wundertaten des an Wissen Vollkommenen?
17 Du, dessen Kleider heiß werden, wenn das Land schwül wird von Süden her,
18 kannst du, gleich ihm, das Himmelsgewölbe ausbreiten, fest wie ein gegossener Spiegel?
19 Tue uns kund, was wir ihm sagen sollen! Wir können vor Finsternis nichts vorbringen.
20 Soll ihm gemeldet werden, daß ich reden wolle? Wenn jemand zu ihm spricht, er wird gewiß verschlungen werden.
21 Und jetzt sieht man das Licht nicht, welches leuchtet am Himmelsgewölbe; aber ein Wind fährt daher und reinigt dasselbe.
22 Aus dem Norden kommt Gold: um Gott ist furchtbare Pracht;
23 den Allmächtigen, den erreichen wir nicht, den Erhabenen an Kraft; und das Recht und der Gerechtigkeit Fülle beugt er nicht.
24 Darum fürchten ihn die Menschen; er sieht keine an, die weisen Herzens sind.

Kapitel 38

1 Und Jahwe antwortete Hiob aus dem Sturme und sprach:
2 Wer ist es, der den Rat verdunkelt mit Worten ohne Erkenntnis?
3 Gürte doch wie ein Mann deine Lenden; so will ich dich fragen, und du belehre mich!
4 Wo warst du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest!
5 Wer hat ihre Maße bestimmt, wenn du es weißt? Oder wer hat über sie die Meßschnur gezogen?
6 In was wurden ihre Grundfesten eingesenkt?
7 Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?
8 Und wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es ausbrach, hervorkam aus dem Mutterschoße,
9 als ich Gewölk zu seinem Gewande und Wolkendunkel zu seiner Windel machte,
10 und ich ihm meine Grenze bestimmte und Riegel und Tore setzte,
11 und sprach: Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter, und hier sei eine Schranke gesetzt dem Trotze deiner Wellen? - sollen sich legen deine stolzen Wellen!«
12 Hast du, seitdem du lebst, einem Morgen geboten? Hast du die Morgenröte ihre Stätte wissen lassen,
13 daß sie erfasse die Säume der Erde, und die Gesetzlosen von ihr verscheucht werden?
14 Sie verwandelt sich wie Siegelton, und alles steht da wie in einem Gewande;
15 und den Gesetzlosen wird ihr Licht entzogen, und der erhobene Arm wird zerbrochen.
16 Bist du gekommen bis zu den Quellen des Meeres, und hast du die Gründe der Tiefe durchwandelt?
17 Wurden dir die Pforten des Todes enthüllt, und sahest du die Pforten des Todesschattens?
18 Hast du Einsicht genommen in die Breiten der Erde? Sage an, wenn du es alles weißt!
19 Welches ist der Weg zur Wohnung des Lichtes, und die Finsternis, wo ist ihre Stätte?
20 Daß du sie hinbrächtest zu ihrer Grenze, und daß du der Pfade zu ihrem Hause kundig wärest.
21 Du weißt es ja; denn damals wurdest du geboren, und die Zahl deiner Tage ist groß!
22 Bist du zu den Vorräten des Schnees gekommen, und hast du gesehen die Vorräte des Hagels,
23 die ich aufgespart habe für die Zeit der Bedrängnis, für den Tag des Kampfes und der Schlacht?
24 Welches ist der Weg, auf dem das Licht sich verteilt, der Ostwind sich verbreitet über die Erde?
25 Wer teilt der Regenflut Kanäle ab und einen Weg dem Donnerstrahle,
26 um regnen zu lassen auf ein Land ohne Menschen, auf die Wüste, in welcher kein Mensch ist,
27 um zu sättigen die Öde und Verödung, und um hervorsprießen zu lassen die Triebe des Grases?
28 Hat der Regen einen Vater, oder wer zeugt die Tropfen des Taues?
29 Aus wessen Schoße kommt das Eis hervor, und des Himmels Reif, wer gebiert ihn?
30 Wie das Gestein verdichten sich die Wasser, und die Fläche der Tiefe schließt sich zusammen.
31 Kannst du knüpfen das Gebinde des Siebengestirns, oder lösen die Fesseln des Orion?
32 Kannst du die Bilder des Tierkreises hervortreten lassen zu ihrer Zeit, und den großen Bären leiten samt seinen Kindern?
33 Kennst du die Gesetze des Himmels, oder bestimmst du seine Herrschaft über die Erde?
34 Kannst du deine Stimme zum Gewölk erheben, daß eine Menge Wassers dich bedecke?
35 Kannst du Blitze entsenden, daß sie hinfahren, daß sie zu dir sagen: Hier sind wir?
36 Wer hat Weisheit in die Nieren gelegt, oder wer hat dem Geiste Verstand gegeben?
37 Wer zählt die Wolken mit Weisheit, und des Himmels Schläuche, wer gießt sie aus,
38 wenn der Staub zu dichtem Gusse zusammenfließt und die Schollen aneinander kleben?
39 Erjagst du der Löwin den Raub, und stillst du die Gier der jungen Löwen,
40 wenn sie in den Höhlen kauern, im Dickicht auf der Lauer sitzen?
41 Wer bereitet dem Raben seine Speise, wenn seine Jungen zu Gott schreien, umherirren ohne Nahrung?

Kapitel 39

1 Weißt du die Gebärzeit der Steinböcke? Beobachtest du das Kreißen der Hindinnen?
2 Zählst du die Monde, die sie erfüllen, und weißt du die Zeit ihres Gebärens?
3 Sie krümmen sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen sich ihrer Wehen.
4 Ihre Kinder werden stark, wachsen auf im Freien; sie gehen aus und kehren nicht zu ihnen zurück.
5 Wer hat den Wildesel frei entsandt, und wer gelöst die Bande des Wildlings,
6 zu dessen Hause ich die Steppe gemacht, und zu seinen Wohnungen das Salzland?
7 Er lacht des Getümmels der Stadt, das Geschrei des Treibers hört er nicht.
8 Was er auf den Bergen erspäht, ist seine Weide, und allem Grünen spürt er nach.
9 Wird der Wildochs dir dienen wollen, oder wird er an deiner Krippe übernachten?
10 Wirst du den Wildochs mit seinem Seile an die Furche binden, oder wird er hinter dir her die Talgründe eggen?
11 Wirst du ihm trauen, weil seine Kraft groß ist, und ihm deine Arbeit überlassen?
12 Wirst du auf ihn dich verlassen, daß er deine Saat heimbringe, und daß er das Getreide deiner Tenne einscheuere?
13 Fröhlich schwingt sich der Flügel der Straußin: ist es des Storches Fittich und Gefieder?
14 Denn sie überläßt ihre Eier der Erde und erwärmt sie auf dem Staube;
15 und sie vergißt, daß ein Fuß sie zerdrücken und das Getier des Feldes sie zertreten kann.
16 Sie behandelt ihre Kinder hart, als gehörten sie ihr nicht; ihre Mühe ist umsonst, es kümmert sie nicht.
17 Denn Gott ließ sie der Weisheit vergessen, und keinen Verstand teilte er ihr zu.
18 Zur Zeit, wenn sie sich in die Höhe peitscht, lacht sie des Rosses und seines Reiters.
19 Gibst du dem Rosse Stärke, bekleidest du seinen Hals mit der wallenden Mähne?
20 Machst du es aufspringen gleich der Heuschrecke? Sein prächtiges Schnauben ist Schrecken.
21 Es scharrt in der Ebene und freut sich der Kraft, zieht aus, den Waffen entgegen.
22 Es lacht der Furcht und erschrickt nicht, und kehrt vor dem Schwerte nicht um.
23 Auf ihm klirrt der Köcher, der blitzende Speer und Wurfspieß.
24 Mit Ungestüm und Zorn schlürft es den Boden, und läßt sich nicht halten, wenn die Posaune ertönt.
25 Beim Schall der Posaune ruft es: Hui! und aus der Ferne wittert es die Schlacht, den Donnerruf der Heerführer und das Feldgeschrei.
26 Schwingt sich der Habicht durch deinen Verstand empor, breitet seine Flügel aus gegen Süden?
27 Oder erhebt sich auf deinen Befehl der Adler, und baut in der Höhe sein Nest?
28 In den Felsen wohnt und verweilt er, auf Felsenzacken und den Spitzen der Berge.
29 Von dort aus erspäht er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen.
30 Und seine Jungen schlürfen Blut, und wo Erschlagene sind, da ist er.

Kapitel 40

1 Und Jahwe antwortete Hiob und sprach:
2 Will der Tadler rechten mit dem Allmächtigen? Der da Gott zurechtweist, antworte darauf!
3 Und Hiob antwortete Jahwe und sprach:
4 Siehe, zu gering bin ich, was soll ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
5 Einmal habe ich geredet, und ich will nicht mehr antworten, und zweimal, und ich will es nicht mehr tun.
6 Und Jahwe antwortete Hiob aus dem Sturme und sprach:
7 Gürte doch wie ein Mann deine Lenden; ich will dich fragen, und du belehre mich!
8 Willst du gar mein Recht zunichte machen, mich verdammen, damit du gerecht seiest?
9 Oder hast du einen Arm wie Gott, und kannst du donnern mit einer Stimme wie er?
10 Schmücke dich doch mit Erhabenheit und Hoheit, und kleide dich in Pracht und Majestät!
11 Gieße aus die Ausbrüche deines Zornes, und sieh an alles Hoffärtige und erniedrige es!
12 Sieh an alles Hoffärtige, beuge es, und reiße nieder die Gesetzlosen auf ihrer Stelle!
13 Verbirg sie allesamt in den Staub, schließe ihre Angesichter in Verborgenheit ein!
14 Dann werde auch ich dich preisen, daß deine Rechte dir Hilfe schafft.
15 Sieh doch den Behemoth, den ich mit dir gemacht habe; er frißt Gras wie das Rind.
16 Sieh doch, seine Kraft ist in seinen Lenden, und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches.
17 Er biegt seinen Schwanz gleich einer Zeder, die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten.
18 Seine Knochen sind Röhren von Erz, seine Gebeine gleich Barren von Eisen.
19 Er ist der Erstling der Wege Gottes; der ihn gemacht, hat ihm sein Schwert beschafft.
20 Denn die Berge tragen ihm Futter, und daselbst spielt alles Getier des Feldes.
21 Unter Lotosbüschen legt er sich nieder, im Versteck von Rohr und Sumpf;
22 Lotosbüsche bedecken ihn mit ihrem Schatten, es umgeben ihn die Weiden des Baches.
23 Siehe, der Strom schwillt mächtig an, er flieht nicht ängstlich davon; er bleibt wohlgemut, wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht.
24 Fängt man ihn wohl vor seinen Augen, durchbohrt man ihm die Nase mit einem Fangseile?
25 Ziehst du den Leviathan herbei mit der Angel, und senkst du seine Zunge in die Angelschnur?
26 Kannst du einen Binsenstrick durch seine Nase ziehen, und seinen Kinnbacken mit einem Ringe durchbohren?
27 Wird er viel Flehens an dich richten, oder dir sanfte Worte geben?
28 Wird er einen Bund mit dir machen, daß du ihn zum ewigen Knechte nehmest?
29 Wirst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel, und ihn anbinden für deine Mädchen?
30 Werden die Fischergenossen ihn verhandeln, ihn verteilen unter Kaufleute?
31 Kannst du seine Haut mit Spießen füllen, und seinen Kopf mit Fischharpunen?
32 Lege deine Hand an ihn, gedenke des Kampfes, tue es nicht wieder!

Kapitel 41

1 Siehe, eines jeden Hoffnung wird betrogen: wird man nicht schon bei seinem Anblick niedergeworfen?
2 Niemand ist so kühn, daß er ihn aufreize. Und wer ist es, der sich vor mein Angesicht stellen dürfte?
3 Wer hat mir zuvor gegeben? Und ich werde ihm vergelten. Was unter dem ganzen Himmel ist, ist mein.
4 Nicht schweigen will ich von seinen Gliedern und von seiner Kraftfülle und von der Schönheit seines Baues.
5 Wer deckte die Oberfläche seines Gewandes auf? In sein Doppelgebiß, wer dringt da hinein?
6 Wer tat die Pforte seines Angesichts auf? Der Kreis seiner Zähne ist ein Schrecken.
7 Ein Stolz sind seine starken Schilder, jedes einzelne verschlossen mit festem Siegel.
8 Eines fügt sich ans andere, und keine Luft dringt dazwischen;
9 Stück an Stück hangen sie fest zusammen, greifen ineinander und trennen sich nicht.
10 Sein Niesen strahlt Licht aus, und seine Augen sind gleich den Wimpern der Morgenröte.
11 Aus seinem Rachen gehen Fackeln, sprühen feurige Funken hervor.
12 Aus seinen Nüstern fährt Rauch, wie aus einem siedenden Topfe und Kessel.
13 Sein Hauch entzündet Kohlen, und eine Flamme fährt aus seinem Rachen.
14 In seinem Halse wohnt Stärke, und die Angst hüpft vor ihm her.
15 Die Wampen seines Fleisches schließen an, sind ihm fest angegossen, unbeweglich.
16 Sein Herz ist hart wie Stein, und hart wie ein unterer Mühlstein.
17 Vor seinem Erheben fürchten sich Starke, vor Verzagtheit geraten sie außer sich.
18 Trifft man ihn mit dem Schwerte, es hält nicht stand, noch Speer, noch Wurfspieß, noch Harpune.
19 Das Eisen achtet er für Stroh, das Erz für faules Holz.
20 Der Pfeil jagt ihn nicht in die Flucht, Schleudersteine verwandeln sich ihm in Stoppeln.
21 Wie Stoppeln gilt ihm die Keule, und er verlacht das Sausen des Wurfspießes.
22 Unter ihm sind scharfe Scherben; einen Dreschschlitten breitet er hin auf den Schlamm.
23 Er macht die Tiefe sieden wie einen Topf, macht das Meer wie einen Salbenkessel.
24 Hinter ihm leuchtet der Pfad, man könnte die Tiefe für graues Haar halten.
25 Auf Erden ist keiner ihm gleich, der geschaffen ist ohne Furcht.
26 Alles Hohe sieht er an; er ist König über alle wilden Tiere.

Kapitel 42

1 Und Hiob antwortete Jahwe und sprach:
2 Ich weiß, daß du alles vermagst, und kein Vorhaben dir verwehrt werden kann.
3 Wer ist es, der den Rat verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn beurteilt, was ich nicht verstand, Dinge, zu wunderbar für mich, die ich nicht kannte.
4 Höre doch, und ich will reden; ich will dich fragen, und du belehre mich!
5 Mit dem Gehör des Ohres hatte ich von dir gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen.
6 Darum verabscheue ich mich und bereue in Staub und Asche.
7 Und es geschah, nachdem Jahwe diese Worte zu Hiob geredet hatte, da sprach Jahwe zu Eliphas, dem Temaniter: Mein Zorn ist entbrannt wider dich und wider deine beiden Freunde; denn nicht geziemend habt ihr von mir geredet, wie mein Knecht Hiob.
8 Und nun nehmet euch sieben Farren und sieben Widder, und gehet zu meinem Knechte Hiob und opfert ein Brandopfer für euch. Und Hiob, mein Knecht, möge für euch bitten; denn ihn will ich annehmen, damit ich nicht an euch tue nach eurer Torheit; denn nicht geziemend habt ihr von mir geredet, wie mein Knecht Hiob.
9 Da gingen Eliphas, der Temaniter, und Bildad, der Schuchiter, und Zophar, der Naamathiter, und taten, wie Jahwe zu ihnen geredet hatte; und Jahwe nahm Hiob an.
10 Und Jahwe wendete die Gefangenschaft Hiobs, als er für seine Freunde betete; und Jahwe mehrte alles, was Hiob gehabt hatte, um das Doppelte.
11 Und es kamen zu ihm alle seine Brüder und alle seine Schwestern und alle seine früheren Bekannten; und sie aßen mit ihm in seinem Hause, und sie bezeugten ihm ihr Beileid und trösteten ihn über all das Unglück, welches Jahwe über ihn gebracht hatte; und sie gaben ihm ein jeder eine Kesita, und ein jeder einen goldenen Ring.
12 Und Jahwe segnete das Ende Hiobs mehr als seinen Anfang; und er bekam vierzehntausend Stück Kleinvieh und sechstausend Kamele und tausend Joch Rinder und tausend Eselinnen.
13 Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren.
14 Und er gab der ersten den Namen Jemima, und der zweiten den Namen Kezia, und der dritten den Namen Keren-Happuk.
15 Und so schöne Frauen wie die Töchter Hiobs wurden im ganzen Lande nicht gefunden. Und ihr Vater gab ihnen ein Erbteil inmitten ihrer Brüder.
16 Und Hiob lebte nach diesem hundertvierzig Jahre; und er sah seine Kinder und seine Kindeskinder, vier Geschlechter.
17 Und Hiob starb, alt und der Tage satt.