Altes Testament  | Neues Testament

Suche

 

 



Elberfelder 1905

Der Prophet Habakuk

Kapitel 1

1 Der Ausspruch, welchen Habakuk, der Prophet, geschaut hat.
2 Wie lange, Jahwe, habe ich gerufen, und du hörst nicht! Ich schreie zu dir: Gewalttat! und du rettest nicht.
3 Warum läßt du mich Unheil sehen, und schaust Mühsal an? Und Verwüstung und Gewalttat sind vor mir, und Streit entsteht, und Hader erhebt sich.
4 Darum wird das Gesetz kraftlos, und das Recht kommt nimmermehr hervor; denn der Gesetzlose umzingelt den Gerechten: darum kommt das Recht verdreht hervor.
5 Sehet unter den Nationen und schauet und erstaunet, staunet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ihr würdet es nicht glauben, wenn es erzählt würde.
6 Denn siehe, ich erwecke die Chaldäer, das grimmige und ungestüme Volk, welches die Breiten der Erde durchzieht, um Wohnungen in Besitz zu nehmen, die ihm nicht gehören.
7 Es ist schrecklich und furchtbar; sein Recht und seine Hoheit gehen von ihm aus.
8 Und schneller als Pardel sind seine Rosse und rascher als Abendwölfe; und seine Reiter sprengen einher, und seine Reiter kommen von ferne, fliegen herbei wie ein Adler, der zum Fraße eilt.
9 Sie kommen zur Gewalttat allesamt; das Streben ihrer Angesichter ist vorwärts gerichtet, und Gefangene rafft es zusammen wie Sand.
10 Und es spottet der Könige, und Fürsten sind ihm ein Gelächter; es lacht jeder Festung, und es schüttet Erde auf und nimmt sie ein.
11 Dann fährt es daher wie der Wind, und zieht weiter und verschuldet sich: diese seine Kraft ist sein Gott!
12 Bist du nicht von alters her, Jahwe, mein Gott, mein Heiliger? Wir werden nicht sterben. Jahwe, zum Gericht hast du es gesetzt, und, o Fels, zur Züchtigung es bestellt.
13 Du bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen, und Mühsal vermagst du nicht anzuschauen. Warum schaust du Räubern zu, schweigst, wenn der Gesetzlose den verschlingt, der gerechter ist als er?
14 Und machst die Menschen wie die Fische des Meeres, wie das Gewürm, das keinen Herrscher hat?
15 Er hebt sie alle mit der Angel herauf, er zieht sie herbei mit seinem Netze und sammelt sie in sein Garn; darum freut er sich und jubelt.
16 Darum opfert er seinem Netze und räuchert seinem Garne, denn durch sie ist sein Teil fett und seine Speise feist.
17 Soll er deshalb sein Netz ausleeren, und beständig darauf ausgehen, Nationen schonungslos hinzumorden?

Kapitel 2

1 Auf meine Warte will ich treten und auf den Turm mich stellen, und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird, und was ich erwidern soll auf meine Klage.
2 Da antwortete mir Jahwe und sprach: Schreibe das Gesicht auf, und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne;
3 denn das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt nach dem Ende hin und lügt nicht. Wenn es verzieht, so harre sein; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben.
4 Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.
5 Und überdies: Der Wein ist treulos; der übermütige Mann, der bleibt nicht, er, der seinen Schlund weit aufsperrt wie der Scheol, und er ist wie der Tod und wird nicht satt; und er rafft an sich alle Nationen und sammelt zu sich alle Völker.
6 Werden nicht diese alle über ihn einen Spruch und eine Spottrede anheben, Rätsel auf ihn? Und man wird sagen: Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist! auf wie lange? Und der Pfandlast auf sich ladet!
7 Und werden nicht plötzlich aufstehen, die dich beißen, und aufwachen, die dich fortscheuchen werden? Und du wirst ihnen zur Beute werden.
8 Denn du, du hast viele Nationen beraubt; und so werden alle übriggebliebenen Völker dich berauben wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.
9 Wehe dem, der bösen Gewinn macht für sein Haus, um sein Nest hoch zu setzen, um sich zu retten aus der Hand des Unglücks!
10 Du hast Schande beratschlagt für dein Haus, die Vertilgung vieler Völker, und hast dein Leben verschuldet.
11 Denn der Stein wird schreien aus der Mauer, und der Sparren aus dem Holzwerk ihm antworten.
12 Wehe dem, der Städte mit Blut baut, und Städte mit Ungerechtigkeit gründet!
13 Siehe, ist es nicht von Jahwe der Heerscharen, daß Völker fürs Feuer sich abmühen, und Völkerschaften vergebens sich plagen?
14 Denn die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit Jahwes, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken.
15 Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt, indem du deinen Zorn beimischest, und sie auch trunken machst, um ihre Blöße anzuschauen!
16 Du hast mit Schande dich gesättigt anstatt mit Ehre: trinke auch du und zeige dein Unbeschnittensein; der Becher der Rechten Jahwes wird sich zu dir wenden, und schimpfliche Schande über deine Herrlichkeit kommen.
17 Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Zerstörung der Tiere, welche sie in Schrecken setzte: wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.
18 Was nützt ein geschnitztes Bild, daß sein Bildner es geschnitzt hat? Ein gegossenes Bild, und welches Lügen lehrt, daß der Bildner seines Bildes darauf vertraut, um stumme Götzen zu machen?
19 Wehe dem, der zum Holze spricht: Wache auf! Zum schweigenden Steine: Erwache! Er sollte lehren? Siehe, er ist mit Gold und Silber überzogen, und gar kein Odem ist in seinem Innern.
20 Aber Jahwe ist in seinem heiligen Palast, schweige vor ihm, ganze Erde!

Kapitel 3

1 Gebet Habakuks, des Propheten, nach Schigjonoth.
2 Jahwe, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich; Jahwe, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund; im Zorn gedenke des Erbarmens!
3 Gott kommt von Teman her, und der Heilige vom Gebirge Paran. (Sela.) Seine Pracht bedeckt die Himmel, und die Erde ist voll seines Ruhmes.
4 Und es entsteht ein Glanz wie das Sonnenlicht; Strahlen sind zu seinen Seiten, und daselbst ist die Hülle seiner Macht.
5 Vor ihm her geht die Pest, und die Seuche zieht aus, seinen Füßen nach.
6 Er stand und machte die Erde schwanken, er schaute und machte aufbeben die Nationen; und es zerbarsten die Berge der Vorzeit, es senkten sich die ewigen Hügel; seine Wege sind die Wege vor alters.
7 Unter Trübsal sah ich die Zelte Kuschans, es zitterten die Zeltbehänge des Landes Midian.
8 Ist Jahwe wider die Ströme entbrannt? Ist etwa dein Zorn wider die Ströme, dein Grimm wider das Meer, daß du einherziehst auf deinen Rossen, deinen Wagen des Heils?
9 Entblößt, entblößt ist dein Bogen... Zuchtruten, geschworen durch dein Wort! (Sela.) Zu Strömen spaltest du die Erde.
10 Es sahen dich, es zitterten die Berge; eine Wasserflut fuhr daher, die Tiefe ließ ihre Stimme erschallen, zur Höhe erhob sie ihre Hände.
11 Sonne und Mond traten in ihre Wohnung beim Lichte deiner Pfeile, welche daherschossen, beim Glanze deines blitzenden Speeres.
12 Im Grimme durchschreitest du die Erde, im Zorne stampfest du die Nationen.
13 Du zogest aus zum Heile deines Volkes, zum Heile deines Gesalbten: du zerschmettertest das Haupt vom Hause des Gesetzlosen, entblößend den Grund bis zum Halse. (Sela.)
14 Du durchbohrtest mit seinen eigenen Spießen die Häupter seiner Scharen, welche heranstürmten, mich zu zerstäuben, deren Frohlocken war, den Elenden im Verborgenen zu verschlingen.
15 Du betratest das Meer mit deinen Rossen, den Schwall großer Wasser.
16 Ich vernahm es, und es zitterte mein Leib; bei der Stimme bebten meine Lippen; Morschheit drang in meine Gebeine, und wo ich stand, erzitterte ich: der ich ruhen werde am Tage der Drangsal, wenn derjenige gegen das Volk heranzieht, der es angreifen wird.
17 Denn der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird an den Reben sein; und es trügt die Frucht des Olivenbaumes, und die Getreidefelder tragen keine Speise; aus der Hürde ist verschwunden das Kleinvieh, und kein Rind ist in den Ställen.
18 Ich aber, ich will in Jahwe frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils.
19 Jahwe, der Herr, ist meine Kraft, und macht meine Füße denen der Hindinnen gleich und läßt mich einherschreiten auf meinen Höhen. Dem Vorsänger, mit meinem Saitenspiel!